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WG gesucht

Der Mietenwahnsinn in den großen Städten nimmt kein Ende: Die Preise explodieren und vor allem die Zimmer für Studierende sind knapp. Wirklich günstige Wohnformen gibt es kaum noch

Von Milena Pieper

Jeder, der in den letzten Jahren ein Zimmer in einer Großstadt suchen musste, weiß, wie schwierig das ist. Für Studentinnen und Studenten ist die Suche nach einer bezahlbaren Unterkunft am Anfang des Semesters zu einer der schwierigsten Aufgaben geworden. Oft lässt sie sich nur mit ganz viel Glück oder den richtigen Beziehungen lösen. Aber gibt es sie überhaupt noch, die bezahlbaren Studentenunterkünfte?

Neben sozialen Projekten wie „Wohnen für Hilfe“, bei dem Studierende günstig bei älteren Menschen wohnen und sie dafür bei kleinen alltäglichen Tätigkeiten unterstützen, ist und bleibt das öffentlich geförderte Studentenwohnheim wohl die günstigste Unterkunft, aber trotz Neubauprojekten und Sanierungen sind die günstigen Zimmer knapp.

Nur 9,3 Prozent der Studierenden bundesweit sind nach einer Auflistung des Studentenwerks Hannover von Juli 2018 in geförderten Unterkünften untergebracht. In Niedersachsen liegt die Quote mit 9,4 Prozent knapp darüber.

Das niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur erklärt, dass die Studentenwerke des Landes auf steigende Studentenzahlen mit zahlreichen Neubauprojekten reagieren, die das Ministerium mit einer Zuschussförderung für rund 500 neue Wohnheimplätzen unterstützt. 252 davon sollen in Hannover entstehen, wo die Situation besonders prekär ist. Doch für das Studentenwerk ist das noch nicht genug, denn die Unterbringungsquote liegt in der Landeshauptstadt bei nur 6 Prozent und damit deutlich unter dem Bundesdurchschnitt. Trotz der neu geschaffenen Plätze fehlten noch Wohneinheiten in Hannover, um das Niveau des Landes Niedersachsen zu erreichen. Das Studentenwerk nennt auch bürokratische Hürden als Grund, der Neubauprojekte kompliziert mache.

Die Studentenwerke haben das Ziel, die Wohnheimplätze zu Mietpreisen anzubieten, die mit dem im Bafög für die Unterbringung vorgesehenen Betrag von 250 Euro vereinbar sind. In Niedersachsen liegt der Mietpreis in Wohnheimen des Studentenwerks im Juli 2018 bei durchschnittlich 244 Euro. In Göttingen gibt es sogar einige wenige möblierte Zimmer ab 190 Euro. Doch so ein Preis bleibt für die allermeisten Studierenden oder Studieninteressierten utopisch. In Hannover verzeichnet das Studentenwerk schon jetzt im August 20 Prozent mehr Anträge auf die vorhandenen Plätze als im Vorjahr. Die Wartezeit für einen Platz sei zwischen sechs und zwölf Monaten lang.

Dass es zu wenig geförderte Unterkünfte für Studenten gibt, ist aber nicht nur in den größten Städten wie Hannover oder Hamburg so. Das Studentenwerk Schleswig-Holstein betreibt Wohnheime in Kiel, Lübeck, Flensburg, Heide und Wedel. Im Wintersemester 2017/2018 lag die Unterbringungsquote in diesen Städten nur bei 5,4 Prozent. In Kiel stehen aktuell mehr als 550 Interessierte auf der Warteliste, um eines der begehrten Zimmer zu bekommen, die in Schleswig-Holstein im Durchschnitt 225 Euro pro Monat kosten. Für Wohnheime in Göttingen gibt es eine Auflistung mit Wartezeiten zwischen drei und – für die begehrtesten Plätze – 56 Monaten.

Anfang kommenden Jahres starten in Kiel und Flensburg insgesamt drei Neubauprojekte. 246 Plätze sollen entstehen. Um unter anderem diese Projekte zu ermöglichen, hat die schleswig-holsteinische Landesregierung im vergangenen Jahr für die nächsten fünf Jahre einen erhöhten Zuschuss für Personalstellen im Bereich Bau zur Verfügung gestellt. „Das ist ein Schritt in die richtige Richtung“, sagt eine Sprecherin des Studentenwerks, aber es sei noch mehr nötig: Bund und Länder sollten gemeinsam über einen Hochschulsozialpakt den Neubau und die Sanierung von Wohnheimen der Studentenwerke stärker unterstützen. Denn es gebe zwar auch Wohnheimplätze privater Anbieter, die seien aber für viele Studierende „unerschwinglich“.

Das zeigt sich auch in Bremen. Das Studierendenwerk Bremen betreibt zwölf Wohnanlagen mit aktuell rund 1.900 Wohnheimplätzen, knapp 135 davon in Bremerhaven.

Aus dem Ressort für Wissenschaft heißt es, es werde immer schwieriger für Studenten, in den beliebten Stadtteilen eine günstige Wohnung zu finden. Auch die Senatorin für Wissenschaft, Eva Quante-Brandt (SPD), setzt auf Sanierung und Neubau. „Wir wollen, dass viele junge Menschen zum Studium nach Bremen und Bremerhaven kommen und unsere Stadt bereichern. Dafür brauchen wir ausreichend bezahlbaren Wohnraum“, sagt sie. Um den zu schaffen, plant Bremen genau wie andere Studentenstädte aktuell neue Wohnheime wie zum Beispiel eine vom Land finanzierte Unterkunft mit 200 Plätzen in der Bremer Neustadt, in der auch die Hochschule Bremen liegt. Die dort entstehenden Wohnungen soll das Studierendenwerk betreiben und für „sozialverträgliche Mieten“ anbieten, heißt es aus dem Ressort. Auf die Miete in privaten Wohnheimen habe die Politik keinen Einfluss.

Dass Wohnen im Studentenwohnheim nicht immer gleich bedeutet, wenig Miete zu zahlen, das zeigen zum Beispiel die „Galileo-Residenz“ und das „Fizz“ in Bremen. Die beiden privaten Wohnheime liegen direkt an der Uni, bieten zum Beispiel möblierte Apartments, eine „kreative“ und „internationale“ Atmosphäre, Rezeption, Waschküchen, die Ausleihe eines Beer-Pong-Tisches. Doch dafür haben sie auch ihren Preis: In der 2009 eröffneten Galileo-Residenz kostet eine WG für zwei bis neun Studierende 399 Euro pro Person.

Im Fizz ist es noch teurer. Die Apartments dort haben eine eigene Küche und ein eigenes Bad und sind für höchstens zwei Studierende ausgelegt. XS-Apartments mit 17 Quadratmetern für eine Person kosten 487 Euro. Einen Aufpreis gibt es für höhere Etagen, und wer sich mit dem S-Apartment einen Quadratmeter mehr gönnt, zahlt gleich 20 Euro drauf. Ein L-Apartment kostet 537 Euro.

Und das ist noch nicht alles. Im teuren Hamburg geht es noch exklusiver. Das „Woodie“ erklärt Hamburg-Wilhelmsburg zum nächsten hippen Szeneviertel nach Williamsburg in Brooklyn und hat zum Wintersemester 2017 ein Gebäude mit 371 Wohneinheiten für Studenten eröffnet. Die möblierten Ein-Zimmer-Apartments sind als Container aus Holz vorgefertigt und eingesetzt worden. Die Betreiber betonen den schonenden Umgang mit Ressourcen und bewerben das Projekt auf ihrer Website. Zwischen 519 und 659 Euro kosten die 19 bis 22 Quadratmeter großen Apartments. Das BAföG-Geld reicht dafür lange nicht aus und für WGs und Wohnungen auf dem freien Markt explodieren die Mietpreise ebenfalls.

Das Studentenwerk Schleswig-Holstein verweist auf eine aktuelle Studie, in der die Daten von zwei großen Wohnungs- und WG-Portalen verglichen wurden. Das Ergebnis der Studie ist ein Ranking, das die durchschnittlichen Preise für ein WG-Zimmer und eine 30-Quadratmeter-Wohnung in 160 deutschen Städten zeigt. Bei dem Vergleich der Warmmieten steht Hamburg mit durchschnittlich 410 Euro für ein WG-Zimmer auf Platz acht. Hannover belegt mit 337 Euro Platz 35. Unter den günstigsten Städten ist mit durchschnittlich 214 Euro für ein WG-Zimmer Neubrandenburg in Mecklenburg-Vorpommern.

Das ein oder andere günstige Zimmer findet sich zwar auch in den Online-Portalen für die nordischen Großstädte, aber wer nur 150 Euro zahlen will, muss in Hannover zum Beispiel ein außerhalb liegendes Haus einer Studentenverbindung mit zwölf anderen teilen. Und wer etwas günstiges entdeckt, muss natürlich auch noch schnell sein und sich im Casting gegen zig andere durchsetzen.

Für wirklich günstiges Wohnen bleiben da nur soziale Projekte oder andere kreative Wohnformen, die auf alternativen Wohnungsportalen zu finden sind. Für Göttingen stehen da zum Beispiel Angebote wie Mehrgenerationenhäuser oder Bauernhof-WGs ganz oben auf der Liste, die jedoch häufig mehrere Kilometer von der Stadt entfernt sind. Einfach nur günstig wohnen und das möglichst zentral, wird damit für viele Studierende auch im kommenden Wintersemester zur Herausforderung.

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