: „Die Europäer können jetzt vernünftig diskutieren“
Gentechkritiker Christoph Then begrüßt nach dem Urteil des EuGH schärfere Kontrollen und Etiketten auch für Genpflanzen. Konventionelle Züchtungen seien ohnehin erfolgreicher
Christoph Then, 56, Institut für unabhängige Folgenabschätzung in der Biotechnologie, Testbiotech.
Interview Hanna Gersmann
taz: Christoph Then, die neuen biologischen Werkzeuge wie Crispr/Cas seien eine Revolution, sagen deren Befürworter. Findet die jetzt ohne Europa statt?
Christoph Then: Die Europäer können jetzt vernünftig debattieren, welches Obst, Gemüse und Getreide sie wollen. Es kommt nicht einfach auf den Markt, was die Industrie verkaufen will. Zunächst einmal wird geklärt, was in der Landwirtschaft eingesetzt wird – und ob das akzeptabel ist.
Mancher hat sich von den neuen Verfahren erhofft, jetzt werde einfach und rasch dürreresistentes Getreide entwickelt.
Auch das ist Unsinn. Es ist ein Vorteil, wenn mit Hilfe von Gentechnik entstandene Pflanzen eine strenge Risikoprüfung durchlaufen. In Brasilien, wo das anders ist und wo auf großen Flächen Soja angebaut wird, die durch die klassische Gentechnik resistent gegen Spritzmittel gemacht wurde, wird jetzt mehr Chemie gebraucht. Denn die Unkräuter haben gegen die Gifte auch eine Widerstandskraft entwickelt. Europa war da vorsichtiger. Da können wir sehr froh sein, auch stolz auf Europa.
Wieso sind Sie so sicher, dass die in USA entwickelten neuen Pflanzen nicht heimlich auf die hiesigen Äcker kommen?
Als Erstes kommt womöglich ein Crispr-Mais aus den USA auf den europäischen Markt. Er wird dort im Feldversuch bereits getestet und hat eine besondere Stärkezusammensetzung. Doch für ihn gelten dann die alten Spielregeln, er muss zugelassen und dann gekennzeichnet werden.
Aber die neuartigen Pflanzen sind manchmal von herkömmliche Züchtung nicht zu unterscheiden – wer soll das prüfen?
Die neuen Eingriffe der Gentechniker lassen sich – anders als oft behauptet – nachweisen. Das Muster der Veränderung ist sehr typisch. Man muss nur wissen, wonach man suchen muss. Außerdem werden die Unternehmen nicht schummeln, die Gefahr, dass sie auffliegen und ihr Image ruiniert wird, ist zu groß.
Mittelständische Züchter haben auf Crispr gesetzt, um mit den Großen im Saatgutgeschäft mitzuhalten.
Die werden nicht an den Kosten für die Zulassung scheitern, so hoch sind sie nicht. Entscheidender sind vielmehr die geistigen Urheberrechte für die Technologien, mit denen sich die neuen Pflanzensorten herstellen lassen. Darauf hat das EU-Urteil keine Auswirkung. Der größte Teil der bisherigen Patentanträge kommt schon jetzt von den Chemie- und Saatgutmultis – und das wird so bleiben.
Sind von den großen Konzernen denn etwa klimatolerante Getreidesorten zu erwarten?
Die Gentechnik hat in beidem bislang nicht viel geleistet. Die konventionellen Züchter sind viel erfolgreicher, weil sie mit der ganzen biologischen Vielfalt, auch mit alten Sorten, arbeiten. Im Genlabor wurde bislang ein trockenresistenter Mais entwickelt, der nicht besser ist als die vielen konventionelle Züchtungen.
Werden überhaupt Crispr-Sorten nach Deutschland kommen?
Das erwarte ich schon. Beim zuständigen Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit liegen bereits Anträge für Raps, Apfelbaum und Ackerschmalwand. Die müssen jetzt genehmigt werden.
Wann stehen die ersten Crispr-Sorten auf hiesigen Feldern?
Erst einmal müssen die Hersteller Daten vorlegen, auch von Versuchsfeldern im Freiland, die aber auch in den USA gemacht werden können. Erlaubt die zuständige Behörde dann den kommerziellen Anbau, müssen die Bauern diese Felder in ein öffentliches Register eintragen. Dann werden die Saatgutfirmen und Landwirte Überzeugungsarbeit vor Ort leisten müssen, warum die Sorte genau dort wachsen muss. Es hängt von ihren Argumenten ab – und davon, wie die Gesellschaft reagiert.
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