Die Wahrheit: Ryanair hat’s schwer
Die irische Billigfluglinie ist auf striktem Anti-Gewerkschaftskurs. Am liebsten würde sie sich aber eine neue Kundschaft suchen.
D as hat man davon, wenn man Gewerkschaften bei Tarifverhandlungen zulässt. Vorigen Herbst musste der irische Billigflieger Ryanair mehr als 2.000 Flüge wegen Pilotenmangel streichen. Inzwischen hat man mühsam genügend Piloten angeworben, und nun streiken sie. Schon wieder fallen Hunderte von Flügen aus.
Obendrein ahmt das Bordpersonal die Piloten nach. Deren Gewerkschaft hat Ryanair erst im Juni anerkannt. Aber Michael O’Leary, der cholerische Chef des Billigfliegers, lässt sich das nicht gefallen. Wer frech wird, fliegt. Und zwar raus. Die Flotte in Dublin soll um 20 Prozent geschrumpft werden, wenn das Personal weiterhin aufmüpfig ist, so droht er. 100 Piloten und 200 Beschäftigte des Kabinenpersonals wären betroffen.
Ryanair hat aber nicht nur Probleme mit den Angestellten, sondern auch mit der Kundschaft. Zwischen 2012 und 2016 ist die Zahl der Zwischenfälle mit besoffenen Passagieren um 600 Prozent gestiegen. Kein Wunder, Ryanair sei ja eine irischen Fluglinie, höhnte eine englische Zeitung. Tatsächlich sind die meisten Problempassagiere aber britisch, gab Ryanair bekannt und forderte eine Einschränkung des Alkoholverkaufs auf britischen Flughäfen. Vor zehn Uhr morgens sollen nur noch zwei hochprozentige Getränke pro Person ausgeschenkt werden. Wenn der Brite in Urlaubsstimmung ist, greift er nämlich gern zu Schnaps, was bei verspäteten Flügen verheerende Folgen hat.
Die Stewardess Ally Murphy sagt, es sei eine Extremsituation, wenn man mit Hunderten Menschen, eingepfercht in einer Metallröhre, mit 900 Kilometern pro Stunde durch die Luft sause. Viele Passagiere beruhigen ihre Nerven mit Alkohol. Sie sei beschimpft und bedroht worden, sagt Murphy, Passagiere haben sie vollgekotzt und begrapscht, sie haben auf die Sitze gepinkelt und in den Gängen gevögelt.
„Unsere Stewardessen sind keine Bardamen“, meint O’Leary. „Sie verdienen nicht viel und müssen sich nicht mit besoffenen Unterschichtlern auf dem Weg ins spanische Billigalkoholparadies herumplagen.“ Die Billigfluglinie will lieber betuchte Kundschaft und kein Billiggesocks, das nach Malle für den Preis einer U-Bahn-Fahrt in London fliegt und am Essen an Bord sowie an den Rubbellosen spart.
Das Bordpersonal muss täglich acht Lose, eine Flasche Parfüm und eine warme Mahlzeit verkaufen, so steht es in den internen Richtlinien. Wer das nicht schafft, muss sich vor den Vorgesetzten verantworten. Dabei ist der Rubbellos-Millionengewinn eine Illusion: Wer den Hauptgewinn freirubbelt, darf daraufhin einen von 125 Briefumschlägen auswählen. Nur in einem steckt der Millionengewinn. Den hat bisher noch nie jemand gewonnen.
Vielleicht könnte man die Interessen der Fluglinie mit denen der durstigen Briten kombinieren. Man könnte den Losverkauf ankurbeln, indem man Schnapsfläschchen als Sofortgewinn aussetzt.
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