: Razzia bei Linken war illegal
Anwohner*innen sprechen von Einbruch
Die Polizist*innen waren offenbar verwirrt. Für welche Räume galt der Durchsuchungsbeschluss noch gleich? Egal! Erst mal die Tür aufbrechen. Dabei hatte eine Bewohnerin direkt daneben gestanden und angeboten aufzuschließen, wenn die Polizei ihr den Durchsuchungsbeschluss gezeigt hätte.
So hatte es sich im Juli vor zwei Jahren in der Hafenstraße auf St. Pauli abgespielt. 250 teils mit Maschinenpistolen bewaffnete und vermummte Polizist*innen hatten ein Wohnprojekt umstellt und gestürmt, weil sie vermuteten, die Bewohner*innen würden Geflüchtete in der Hafenstraße beim Drogenhandel unterstützen. Sie fanden in der Wohnung aber nichts Verdächtiges außer einer Mehrfachsteckdose, die sie sogleich beschlagnahmten.
Dieses Vorgehen – also die Durchsuchung, nicht der Raub der Steckdose – war illegal, hat nun ein Hamburger Amtsgericht festgestellt. Der richterlich ausgestellte Durchsuchungsbefehl hatte nicht für die Wohnung gegolten, sondern nur für Räume, die direkt hinter einer Tür zum Garten liegen. Offenbar hätten die Polizisten nicht gewusst, wohin sie sollten, mutmaßte das Gericht.
Für die Bewohner*innen des Hauses fügt sich das Urteil in das Bild einer Polizei, die zunehmend „willkürlich und als eigenständiger politischer Akteur“ handelt, und zwar immer häufiger nach der Maxime: „Erst schlagen, dann fragen.“ In einem Schreiben an die Öffentlichkeit teilten sie mit: „Das Gericht bestätigt den Eindruck, dass es sich bei dem Einsatz in unserer Wohnung weniger um eine Hausdurchsuchung als um einen bewaffneten Einbruch handelte, der die Einschüchterung der BewohnerInnen zum Ziel hatte.“ Auch der Anwalt der Bewohner*innen nennt den rechtswidrigen Einsatz einen „juristischen Skandal“.
Auch zwei Jahre später hat sich die Situation an der Hafenstraße nicht beruhigt: Fast täglich kommt es zu Konfrontationen zwischen Anwohner*innen und der Taskforce Drogen, die fast rund um die Uhr auf St. Pauli präsent ist und Schwarze kontrolliert. Anfang der Woche kam es erneut zum Clash, als die Taskforce eine Gruppe schwarzer Menschen kontrollierte, die gerade gemeinsam zu Abend essen wollten. Anwohner*innen beobachteten die Kontrolle und kritisierten lautstark die Polizei. Die Beamt*innen nahmen zwei Geflüchtete aufgrund abgelaufener Papiere mit. Drogen fanden sie nicht.
Katharina Schipkowski
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