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Ein Faustschlag – null Einsicht

„Nationalmarxist“ Reinhold Oberlercher wegen Körperverletzung zu Geldstrafe verurteilt

„Eine schwache Strafe, aber ein starkes Zeichen“

Betroffener Ruben H. über das Urteil

Von Andreas Speit

Ein wenig Einsicht, ein bisschen Entgegenkommen wollte der Richter vom Angeklagten signalisiert bekommen. Die Staatsanwaltschaft schlug sogar vor, das Verfahren einzustellen. Doch das wollte der Beschuldigte Reinhold Oberlercher nicht. Am Montagvormittag befand das Amtsgericht den führenden Theoretiker des rechtsextremen „Deutschen Kollegs“ (DK) wegen Körperverletzung für schuldig. Er hätte gewusst, dass sein Besuch im Studierenden-Café der Uni Hamburg eine Provokation sei, sagt der Richter. Das Urteil: eine Geldstrafe von 30 Tagen zu 10 Euro auf zwei Jahre Bewährung.

Im Flur des Gerichtes sagte nach der Verurteilung Ruben H.: „Eine schwache Strafe, aber ein starkes Zeichen.“ Denn mit diesem Urteil könnten Rechtsextreme und Reichsbürger nun ermutigt werden, einfach mal zuzuschlagen, sagt das Mitglied des Allgemeinen Studierendenausschusses (Asta).

Am 13. Dezember vergangen Jahres war Oberlercher ins Asta-Info-Café gekommen, um zu lesen. Seit Studentenzeiten würde er Leseräume der Universität nutzen, sagte Oberlercher, einstigster Theoretiker des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes, und seit den 80er-Jahren im rechtsextremen Spektrum unterwegs. H. bat ihn, das Café zu verlassen. Denn, so sagte H. vor Gericht, Personen die nicht für eine weltoffene Universität und gleichberechtigte Welt seien, wären in den Räumen unerwünscht.

Oberlercher hätte ihn als Gewürm beschimpft und plötzlich von unten mit der Faust gegen das Kinn geschlagen. Thomas S. bestätigte das. Zusammen mit H. hatte er Oberlercher gebeten, das Café zu verlassen. Und auch er verneinte wie H., Oberlercher Gewalt angedroht zu haben.

Vor Gericht hatte Oberlercher allerdings behauptet, dass er von den beiden „jungen Männern“ bedroht worden wäre. Wenn sie ihn noch mal im Café sähen, würden sie ihn so zusammenschlagen, dass er das „den Rest seines Lebens nicht vergessen“ würde. In ein instinktgesteuertes Verhalten wäre er dann gerutscht, hätte seine rechte Faust in Richtung von H.s Kehlkopf gehalten.

Auf Nachfrage des Richters betonte er: „Einen Faustschlag kann ich kategorisch ausschließen“. Oberlercher, der mit dem DK ein „Viertes Reich“ aufbauen will, nannte den Asta eine „mikroterroristische Organisation“. Der Staatsanwalt hatte betont, das Oberlercher sich im Verfahren uneinsichtig zeigte. Im Saal waren auch der jetzige NPD-Landesvorsitzende Len­nart Schwarzbach und der frühere Vorsitzende Thomas Wulff. Bei der NPD hält Oberlercher Vorträge.

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