: China sucht den Schulterschluss
Angesichts des eskalierenden Handelsstreits mit den USA umgarnt Chinas Regierungschef Li Keqiang bei seiner jetzigen Europareise Osteuropäer und Deutsche
Von Sven Hansen
Während die Zeichen bei Chinesen und Europäern im Verhältnis zu den USA wegen des aktuellen Handelsstreits auf Sturm stehen, versuchen beide, in der Beziehung zueinander gut Wetter zu machen. Vor allem China, dessen Ministerpräsident Li Keqiang sich auf Europareise befindet, und 16 Staaten in Ost- und Mitteleuropa.
Li nahm in Bulgariens Hauptstadt Sofia am Gipfel der Volksrepublik mit den Staats- und Regierungschefs aus elf östlichen EU- und fünf Westbalkan-Ländern teil. Bei diesem sogenannten 16+1-Format bietet sich China der Region am europäischen Ende seiner neuer Seidenstraße als Großinvestor an. Für die Osteuropäer bedeutet es zusätzliche finanzielle Mittel – und die Möglichkeit, Druck aus Brüssel abzumildern. Regierungen wie der ungarischen von Viktor Orbán ermöglicht Chinas Engagement, sich wachsender innereuropäischer Kritik zu erwehren.
In Brüssel wird Chinas Offensive in den 16 Staaten denn auch als Versuch gesehen, die EU zu spalten, die meist auf Grundlage des kleinsten gemeinsamen Nenners entscheidet. Li bemühte sich, diese Sorge zu zerstreuen, das sei ein „Missverständnis“. China wolle keinen Keil in die EU treiben, sondern sei vielmehr an einem starken Europa interessiert. „Wenn Europa geschwächt wird, wäre das schlecht für China und nicht anders“, sagte Li in Sofia.
Begleitet wurde er von 500 Unternehmern. Es gab auch Geschäftsabschlüsse, doch keine größeren Verträge. Schon früher hatten sich viele chinesische Pläne dort nicht einfach realisieren lassen. Konkret schlug Li jetzt ein Weiterbildungszentrum chinesischer Unternehmer vor und versprach, Chinas Märkte für Agrarprodukte aus der Region weiter zu öffnen.
An diesem Montag nimmt Li in Berlin mit Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel an den 5. deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen teil. Dabei steht der Ausbau des Handels im Mittelpunkt. China ist schon das zweite Jahr Deutschlands wichtigster Handelspartner, Deutschland schon lange Chinas größter Handelspartner in Europa. Li forderte im Vorfeld Deutschland auf, sich stärker für Investitionen aus China zu öffnen. Zuletzt überwog in Berlin die Furcht, in Schlüsselbereichen die Technologieführerschaft zu verlieren. Li stellte China als Bewahrer des Freihandels dar, der stets entsprechend der Welthandelsorganisation WTO agiere. Die EU und China werfen der US-Regierung vor, mit ihren einseitig verhängten Strafzöllen die WTO-Regeln zu verletzten.
Lis Avancen stoßen in Berlin auf Vorbehalte. So fordert der Industrieverband BDI eine stärkere Öffnung Chinas und die Gleichbehandlung ausländischer Investoren. Schranken für diese, aber auch Markteingriffe seien weiter Realität. Mikko Huotari vom Berliner China-Forschungsinstitut Merics erwartet denn auch „keine enthusiastische Annäherung“. Seine Kollegin Kristin Shi-Kupfer verweist darauf, dass auch Merkels Hinterzimmerdiplomatie in Menschenrechtsfragen zuletzt wirkungslos blieb.
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