piwik no script img

Brüssel warnt vor Brexit-Scheitern

EU-Kommission fordert Politik und Wirtschaft auf, sich auf den schlimmsten Fall vorzubereiten

Aus Brüssel Eric Bonse

Es soll kein Alarmruf sein, doch es klingt genau so: Die EU-Kommission hat die Mitgliedstaaten und Unternehmen aufgefordert, sich auf ein Scheitern der Verhandlungen über den britischen EU-Austritt einzustellen. Bereits am 30. März 2019 – dem Tag nach dem offiziellen Brexit – könne es zu massiven Problemen kommen, warnt die Behörde.

„Die Vorbereitungen müssen sofort auf allen Ebenen beschleunigt werden und alle möglichen Ergebnisse (der Verhandlungen) berücksichtigen“, heißt es in einer Mitteilung, die die Kommission am Donnerstag verabschiedet hat. Es sei mit schweren Störungen bei den Lieferketten der Unternehmen, aber auch im Reiseverkehr zu rechen.

Zwar arbeite Brüssel „Tag und Nacht“ daran, mit London eine Vereinbarung für einen „geordneten Austritt“ zu treffen, betont die EU-Behörde. Es sei aber „noch immer ungewiss, ob zum Austrittsdatum ein ratifiziertes Austrittsabkommen“ vorliegen werde. Man müsse sich daher auch auf einen „Sturz in den Abgrund“ vorbereiten.

Die Mitteilung kommt zu einem politischen brisanten Zeitpunkt. Schließlich stellt sich die EU-Kommission bereits seit fünf Monaten auf ein mögliches Scheitern der Verhandlungen ein. Dass sie ihren „awareness“-Alarm ausgerechnet jetzt veröffentlicht, zeugt von gehörigem Misstrauen in die britische Regierung.

Es könnte sogar die laufende Brexit-Verhandlungsrunde stören – denn offiziell enden die Gespräche erst an diesem Freitag. Und erst am Donnerstag traf EU-Verhandlungsführer Michel Barnier mit seinem neuen britischen Gegenspieler Dominic Raab zusammen.

Raab dürfte „not amused“ sein – auch wenn sich Brüssel um Beschwichtigung bemüht. „Die Notfallplanung für das schlechtestmögliche Ergebnis ist kein Zeichen von Misstrauen in den Verhandlungen“, teilte die EU-Behörde mit. Zugleich weigerte sie sich aber, zum neuen, auch in Großbritannien umstrittenen Verhandlungsangebot von Premierministerin Theresa May Stellung zu beziehen. May hatte vorgeschlagen, nach dem EU-Austritt eine Freihandelszone mit der EU zu gründen, allerdings nur für Waren und Agrarprodukte. Im für London wichtigen Dienstleistungssektor, der auch Finanzprodukte aus der City einschließt, soll es künftig eigene, nationale Regeln geben. Auch die Zollpolitik soll von der EU unabhängig werden.

Barnier will sich erst am Freitag zu dem Vorschlag äußern. Doch schon jetzt ist klar, dass die EU ihm kaum eine Chance geben wird. Europaabgeordnete haben bereits vor britischem „Rosinenpicken“ gewarnt. Mays Vorschlag sei ein Angriff auf den europäischen Binnenmarkt, der keine Ausnahmen in einzelnen Bereichen vorsieht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen