: Fragen stellen unerwünscht
Nochmals Demo gegen NSU in Hamburg
Das „Hamburger Bündnis gegen Rechts“ will jetzt nicht locker lassen. Jetzt, da das Urteil im NSU-Hauptverfahren gefällt wurde, befürchtet das Bündnis, dass keine weiteren Aufklärungsbemühungen mehr folgen werden. Deshalb rufen die Aktivist*innen am Samstag zu einer Demonstration auf.
„Wir fordern, dass die Bürgerschaft endlich einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss beschließt“, sagt Felix Krebs vom Bündnis. Mittlerweile sei Hamburg das einzige Bundesland, in dem der NSU einen Menschen ermordete und kein Parlamentsausschuss die Ermittlungen der Polizei und die Netzwerke der Szene untersucht. „Was haben die Behörden zu verheimlichen, fragen wir uns?“, sagt Krebs gegenüber der taz.
Bis heute wissen die Angehörigen der Opfer immer noch nicht, warum der NSU ausgerechnet ihre Väter, Söhne oder Brüder tötete. „Wir wissen nicht, warum mein Bruder Opfer des NSU wurde“, sagt auch Osman Taşköprü. Seinen Bruder Süleyman erschossen die NSU-Mitglieder Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos am 27. Juni 2001 in seinem Gemüseladen in Hamburg-Bahrenfeld. „Eine Gesellschaft sollte sich nicht mit diesem Nichtwissen abfinden“, sagt Osman Taşköprü.
Bereits am Mittwochabend gingen nach der Urteilsverkündung in München in verschiedenen norddeutschen Städten Menschen auf die Straßen. In Hamburg-Altona versammelten sich über 1000 Demonstrant*innen. Seit diesem Abend hängen in mehreren Stadtteilen Plakate: Auf schwarzem Grund ist in weißen Lettern zu lesen: „Was hat Hamburg zu verbergen?“ und: „Warum wurde nicht auf die Angehörigen gehört?“ In roten Buchstaben wird erklärt, dass die Betroffenen sehr schnell auf einen rassistischen Tathintergrund hinwiesen.
Auch der Vater von Süleyman Taşköprü gab, nachdem sein Sohn in seinen Armen gestorben war, der Polizei den Hinweis, zwei Männer gesehen zu haben, schlank, zwischen 25 und 3o Jahre alt und deutsch. Diese Spur wurde nie verfolgt. Nicht minder fatal, sagt Krebs, war, dass das Hamburger LKA den Hinweisen eines Profilers nicht nachging, der 2006 analysierte, dass die Täter aus der rechten Szene kommen und aus „Türkenhass“ gehandelt haben könnten. Neue Ermittlungen hat die Polizei indes schon aufgenommen: gegen die Plakatierer der kritischen Fragen. Vier vorläufige Festnahmen habe es bis Donnerstag gegeben, sagt eine Polizeipressesprecherin.
Am Samstag soll die Demonstration auch an der Innenbehörde vorbeiziehen. Start ist um 14 Uhr am Hansa-Platz.
Andreas Speit
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