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Mietpreisbremse verpufft

Das Hamburger Landgericht hält die Mietpreisbremse, zumindest in einem jetzt verhandelten Fall, für null und nichtig. Die Signalwirkung für Mieter*innen ist verheerend. Der Senat will nun schnell reagieren, aber der Mieterverein glaubt nicht recht an eine heilende Wirkung

Von André Zuschlag

Es ist eine Schlappe für den Hamburger Senat und eine schlechte Nachricht für Hamburgs Mieter*innen: Das Hamburger Landgericht hat am Donnerstag entschieden, dass die Mietpreisbremse auf einen im September 2015 geschlossenen Mietvertrag nicht anzuwenden ist. Ein Mieter aus dem Stadtteil Ottensen hatte seinen Vermieter verklagt, weil dieser deutlich mehr Miete verlangte als die Mietpreisbremse eigentlich zulässt. Das Problem: Aus Sicht des Landgerichts ist die Senatsverordnung zur Mietpreisbremse nichtig gewesen.

„Die Rechtsauffassung des Landgerichts ist nicht überraschend, aber das ist bitter für viele Mieter*innen“, sagt Siegmund Chychla, Vorsitzender des Mietervereins zu Hamburg. Für ihn ist diese Entscheidung zwar nachvollziehbar, aber dennoch enttäuschend. Der Mieterverein hatte den Kläger in dem Verfahren betreut. Dieser hatte im September 2015 eine Wohnung angemietet, die Nettokaltmiete betrug 14,01 Euro pro Quadratmeter. Die ortsübliche Vergleichsmiete allerdings lag zu diesem Zeitpunkt bei 8,75 Euro. Laut Mietpreisbremse hätte der Vermieter bei Neuvermietung aber maximal zehn Prozent mehr als die Vergleichsmiete verlangen dürfen – also nicht mehr als 9,63 Euro pro Qua­dratmeter. Der Kläger verlangte daraufhin von seinem Vermieter den aus seiner Sicht zu viel gezahlten Mietanteil zurück, das waren immerhin 2.100 Euro.

Das Landgericht bestätigte mit seiner Entscheidung am Donnerstag nun ein Urteil des Amtsgerichts Altona, das in erster Instanz bereits die Klage des Mieters aus Ottensen zurückgewiesen hatte. Bei Abschluss seines Mietvertrages 2015 sei die Mietpreisbremse unwirksam gewesen, so urteilten letztlich beide Gerichte.

Der Hamburger Senat hatte die Mietpreisbremse im Juni 2015 erlassen. Rechtliche Voraussetzung dafür war ein kurz zuvor erlassenes Bundesgesetz, das den Bundesländern diese Möglichkeit für Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt gab. Die einzige Bedingung für eine Mietpreisbremse auf Länderebene: Die Länder müssen ihre Verordnung begründen und diese Begründung auch zeitgleich der Öffentlichkeit zugänglich machen. Genau das geschah in Hamburg nicht.

Tatsächlich veröffentlichte die Stadtentwicklungsbehörde erst im September 2017 die notwendige Begründung – mehr als zwei Jahre später als vorgeschrieben. Aus Sicht des Hamburger Landgerichts könne die nachgelieferte Begründung die Verordnung auch rückwirkend nicht wirksam machen.

In die Kritik gerät nun von Seiten des Mietervereins der Hamburger Senat: „Schon beim leisesten Anzeichen, dass keine Rechtssicherheit herrscht, hätte der Senat reagieren müssen und eine neue Verordnung samt Begründung erlassen müssen“, sagt Chychla. Dies sei spätestens mit der erstinstanzlichen Entscheidung des Amtsgerichts im Mai 2017 der Fall gewesen. „Bürger*innen müssen sich auf den Gesetzgeber verlassen können. Das ist hier leider nicht passiert“, kritisiert Chychla. „Wir fordern den Senat auf, unverzüglich eine neue Verordnung samt Begründung zu erlassen.“ Dann bestehe immerhin ab diesem Zeitpunkt Rechtssicherheit, sowohl für Mieter*innen als auch Vermieter*innen. Fraglich ist immer noch, ob die Mietpreisbremse seit der veröffentlichten Begründung überhaupt gilt, also seit September 2017. Eine Antwort auf diese Frage ließ das Landgericht am Donnerstag ein Stück weit offen. Zwar sehe es danach aus, dass künftige Klagen von Mieter*innen Erfolg haben könnten, wenn sie sich ab September 2017 auf die Mietpreisbremse bezögen, sagt Chychla, es sei jedoch fraglich, ob Mieter*innen dieses Risiko eingehen wollen.

„Die Rechtsauffassung des Landgerichts ist nicht überraschend, aber das ist bitter für viele Mieter*innen“

Siegmund Chychla, Vorsitzender des Mietervereins zu Hamburg

„Wir werden das Urteil zum Anlass nehmen, die Mietpreisbegrenzungsverordnung neu zu erlassen und so für die Zukunft für Klarheit sorgen“, sagte Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) nach der Entscheidung des Landgerichts. Sie bedauere das Urteil, denn ihre Behörde teile die Rechtsauffassung des Gerichts nicht. Praxis des Senates sei es bislang gewesen, die Begründung für die Mietpreisbegrenzungsverordnung auf Anfrage herauszugeben. Tatsächlich befand ein anderes Hamburger Amtsgericht in einem ähnlichen Fall diese Praxis für ausreichend.

Die Verordnung zur Mietpreisbremse gilt bundesweit zunächst bis Juni 2020. Bis zu diesem Zeitraum soll auch die neu erlassene Hamburger Verordnung gelten. Laut Stadtentwicklungsbehörde soll sie zügig, bestenfalls innerhalb der nächsten vier Wochen, erlassen werden. Allerdings bleibt fraglich, ob sich die angespannte Situation am Hamburger Wohnungsmarkt verbessern wird. Der Mieterverein schätzt, dass bei 60 bis 70 Prozent der neu abgeschlossenen Mietverträge gegen die Mietpreisbremse verstoßen wird. Bis auf kleinere Anpassungen und Maßnahmen wird die neue Verordnung der alten Version weitgehend gleichen.

Vertreter der oppositionellen Bürgerschaftsfraktionen FDP, CDU und Linke bezeichneten das Urteil als „Blamage für den Senat“ oder als „Trauerspiel“, wofür Mieter jetzt den Preis zahlen müssten. Das Landgericht ließ eine Revision nicht zu. Der Mieterverein zu Hamburg will nun prüfen lassen, welche Chancen eine Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof haben könnte.

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