Kommentar von Stefan Reinecke über die Aufklärung der Bamf-Affäre: Keine Angst vor der AfD
Brauchen wir einen Untersuchungsausschuss des Bundestages, der die Bamf-Affäre verhandelt? Diese Frage ist knifflig. Denn genau das will die AfD: eine Arena, um Merkel zu jagen und zur Strecke zu bringen. Gauland & Weidel würden diese Chance für Hasskampagnen und Affektpolitik nutzen. Die Hoffnung, dass sich der Auftrag für einen U-Ausschuss ganz eng fassen lässt, ist naiv. Von der Erkundung, wer die politische Verantwortung für Unregelmäßigkeiten bei Asylverfahren trägt, ist es nur ein kleiner Schritt zu der Frage, ob die Flüchtlingspolitik im Herbst 2015 in toto korrekt war. Schließlich waren Flüchtlinge und das Bamf Chefinnensache, Kanzleramtsminister Peter Altmaier als Krisenmanager war eine Schlüsselfigur.
Also besser bloß keinen U-Ausschuss, den die AfD zum Hetztribunal umfunktionieren könnte? Parlamentarische Untersuchungsausschüsse arbeiten gründlich und lange. Hält man damit das Thema Flüchtlinge, das endlich langsam ins Abklingbecken zu gleiten scheint, nicht dauerhaft in den Schlagzeilen? Betreibt man damit nicht das Geschäft der Rechtspopulisten, die genüsslich Seehofers törichtes Wort von der „Herrschaft des Unrechts“ zitieren werden?
Diese Vorbehalte sind naheliegend. Aber sie haben etwas Verdruckstes, Kurzatmiges. Denn die Alternative nutzt der AfD ja gleichermaßen: Falls die Opposition die Aufklärung der Bamf-Affäre allzu taktisch oder mit angezogener Handbremse betreibt, fügt sich das exakt in das paranoide Zerrbild, das die AfD von der Demokratie entwirft: als Kartell, das die Wahrheit unterdrückt.
Es mag schwerfallen – aber mehr Gelassenheit wäre nützlich. Gegen einen Untersuchungsausschuss spricht derzeit noch einiges. Es dauert eine Weile, ihn einzurichten, und der Eindruck, dass das Parlament die Bamf-Affäre auf die lange Bank schiebt, wäre ungünstig. Es gilt auszuloten, ob die Bremer Bamf-Manipulation nur ein lokales Ereignis ist, und im Innenausschuss zu erkunden, welche Kontrollen im Innenministerium versagten und wer politisch verantwortlich ist.
Aber das sind handwerkliche Abwägungen. Prinzipiell darf die Opposition einen Untersuchungsausschuss nicht ausschließen. Und wenn der Innenausschuss nicht ausreichend für Aufklärung sorgt, dann müssen FDP, Grüne und Linkspartei für einen U-Ausschuss votieren. Denn es ist der Job der Opposition, Fehler der Regierung ans Licht zu bringen.
Ja, die Agitation der AfD zersetzt Vertrauen in die Demokratie. Aber noch gefährlicher als die Säure der Rechtsextremen ist mangelndes Selbstbewusstsein der Demokraten.
Zum Thema
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen