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Mit Bass und Boot gegen Hass und Wut

Statt der geplanten 10.000 AnhängerInnen kann die AfD in Berlin nur 5.000 Menschen auf die Straße bringen. An jeder Ecke warten ihre Gegner: Mindestens 25.000 Menschen protestieren gegen die Rechtspopulisten

Aus Berlin Malene Gürgen, Patricia Hecht, Daniél Kretschmar und Sabine am Orde

Die Abschlusskundgebung der AfD am Brandenburger Tor ist von GegendemonstrantInnen umzingelt. Von allen Seiten umgeben sie den Platz, Zäune, Absperrgitter, und viel behelmte Polizei ist nötig, damit die Menge nicht in die Kundgebung strömt. Ihre Rufe, „Ganz Berlin hasst die AfD“ oder „Nazis raus“, sind so laut, dass man die Redner der AfD nur schwer versteht. Parteichef Jörg Meuthen spricht, auch die Vizes Albrecht Glaser und Georg Pazderski. „Zum Schluss der Höhepunkt: Dr. Alexander Gauland“, sagt Guido Reil dann, einer der beiden Organisatoren der AfD-Demo. „Wir stehen hier, weil wir unser Land lieben“, ruft Gauland ins Mikrofon. Die „Konsensparteien“, wie Gauland die politische Konkurrenz nennt, dagegen liebten „die Fremden, nicht euch“. Er versucht die GegendemonstrantInnen zu übertönen, wird immer lauter, bis er so ins Mikrofon brüllt, dass die Boxen dröhnen.

Die Demonstration der AfD ist angekommen, hier auf dem Platz hinter dem Brandenburger Tor. Damit hat die Partei zumindest ein Ziel ihrer heutigen Veranstaltung erreicht. Als Erfolg dürfte sie diese Demonstration dennoch kaum werten können: Auf der gerade mal 1,5 Kilometer langen Route wartete an jeder Ecke lautstarker Gegenprotest. Am gegenüberliegenden Ufer der Spree während der Auftaktkundgebung, an den Straßenkreuzungen und Plätzen entlang der Route, auf Brücken über den und auf Booten auf dem Fluss: Überall, wo die AfD war, waren die GegendemonstrantInnen schon da. Und sie waren mehr: Rund 5.000 TeilnehmerInnen zählte die Polizei aufseiten der AfD, rund 25.000 bei den vielen verschiedenen Veranstaltungen des Gegenpro­tests.

Testlauf nach der ­Bundestagswahl

Dieser Sonntag war ein Test in mehrfacher Hinsicht: Würde es der AfD gelingen, bei ihrer ersten großen Demonstration nach der Bundestagswahl zu punkten? Schafften es die Rechtspopulisten, ausgerechnet in Berlin genügend Anhänger zu mobilisieren, um die Straßen für sich zu beanspruchen? Oder würden andere Bilder von diesem Tag bleiben, Bilder einer weltoffenen Stadt, die für vieles steht, was der AfD ein Dorn im Auge ist?

Im Herbst 2015 hatte die AfD noch fast ungestört den Boulevard Unter den Linden entlangziehen können. Zwischen 5.000 und 6.000 Menschen folgten damals ihrem Aufruf, dagegen stellte sich weniger als die Hälfte. Die linke Szene, die Antifa, war da, aber vom Rest der Stadtgesellschaft war wenig zu sehen.

Gleich mehrere Bündnisse

Das war dieses Mal völlig anders: Schon im Vorfeld hatte man das Gefühl, kaum eine Initiative oder Institution dieser Stadt beteiligte sich nicht an einem der zahlreichen Gegenbündnisse. Im größten hatten sich unter dem Titel „Stoppt den Hass – Stoppt die AfD“ mehr als 120 Organisationen versammelt. Dazu kamen eine eigene Demonstration der Theater- und Kunstszene, ein riesiger Demo-Rave der Berliner Clubs, eine Boots- und Floßdemo auf der Spree und eine explizit antirassistische Kundgebung.

Auch Blockaden waren geplant, hier griff die Polizei allerdings von Anfang an hart durch: Noch bevor die DemonstrantInnen die Route der AfD erreicht hatten, setzte sie Pfefferspray und Schlagstöcke ein. BeamtInnen traten auf DemonstrantInnen ein, die schon am Boden lagen. „Das war nicht verhältnismäßig“, sagte die Bundestagsabgeordnete der Linkspartei, Martina Renner, die als Beobachterin bei der Demo war. Pfefferspray gehöre ohnehin nicht auf Einsätze wie diesen.

Doch weder hier noch anderswo lassen sich die Gegen­demonstrantInnen entmuti­gen: Wenig später strömen überall aus den Seitenstraßen diejenigen herbei, die beinahe verloren gegangen waren. Die Reste schließen sich mit der Glänzenden Demo der Künstler zusammen, Tausenden Menschen, die golden und silbern schimmernde Rettungsfolien über ihren Köpfen wehen lassen. „Glamour gegen die AfD“ steht auf einem Schild, „AfD: A Fucking Disgrace“ auf einem anderen.

Gegen 14 Uhr nähert sich der Zug der AfD-Route. Das Pfeifkonzert ist ohrenbetäubend. „Ganz Berlin hasst die AfD“, skandiert die Menge. Es ist kaum möglich, auf der Demostrecke zu laufen, ohne der AfD in Seh- und Hörweite zu kommen. Und jedes Mal finden sich Hunderte oder Tausende, die zeigen, was sie von der AfD halten: gar nichts.

Ab 12 Uhr mittags hatten sich die AnhängerInnen der rechtspopulistischen Partei am Hauptbahnhof versammelt, Plakate mit Aufschriften wie „Arrest Merkel“ und „Finger weg von Höcke“, in der Mitte eine große schwarze Fahne: „Widerstand“ steht in weißer Frakturschrift darauf. Auch Pegida-Fahnen sind zu sehen, obwohl die nach Angaben von Steffen Königer, einem der beiden Organisatoren der AfD-Demo, nicht erlaubt sein sollen.

Bürger in Shorts und Sommerkleidern stehen hier in der prallen Sonne neben jungen Männern mit strengem Scheitel. Insgesamt sind hier mehr Alte als Junge, mehr Männer als Frauen – wie immer bei der AfD. Unter den DemonstrantInnen finden sich auch Anhänger der rechtsextremen Identitären Bewegung, gut zu erkennen an T-Shirts mit dem Logo der ­völkischen Organisation. Im Vorfeld hatte die AfD angekündigt, die Identitäre Bewegung auf der Veranstaltung nicht zu dulden.

Auf dem Platz sprechen erst zwei Lokalaktivisten, dann ruft Andreas Kalbitz all die Stichworte über den Platz, die Rechtspopulisten begeistern. Er spricht vom „Schutz deutscher Familien“, von „sozialer Kälte“, sagt, dass der Islam nicht zu Deutschland gehöre, und er Frieden mit Russland wolle. Immer wieder brüllen die Demonstranten „Merkel muss weg“ – „Wir sind das Volk“ und, sehr aggressiv: „Widerstand, Widerstand“.

Beatrix von Storch, die stellvertretende Fraktionschefin im Bundestag, spricht, wie so oft, gar von einer Schickalsfrage: „Wir stehen hier und heute am Scheideweg unserer Geschichte“, ruft von Storch nach Kalbitz über den Platz. Es gehe um nicht weniger als die Entscheidung zwischen „Freiheit oder Islamisierung“.

Schon im Februar hatte die AfD angekündigt, in Berlin demonstrieren zu wollen. Ursprünglich war die Demonstration als Protest gegen die Große Koalition gedacht, schlussendlich lief sie unter dem wenig sagenden Motto Zukunft Deutschland. 10.000 TeilnehmerInnen waren angemeldet. Doch die Mobilisierung begann spät und war schleppend – wohl auch, weil die Demo innerhalb des Bundesvorstands der Partei nicht unumstritten war.

Dieser ist, wie die gesamte Partei, gespalten in die, die auf die Arbeit in den Parlamenten setzen und auf eine baldige Regierungsbeteiligung hoffen, und jene, vor allem aus dem radikal rechten AfD-Flügel um Höcke, für die die AfD eine Bewegungspartei ist. Zumindest in Berlin, das hat dieser Sonntag gezeigt, ist die AfD davon aber offenbar weit entfernt.

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