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Gegen Rechtspopulismus –aber mit einem rechten AfDler

Mit Friedensbotschaften wendet sich das größte katholische Laientreffen gegen Ausgrenzungund Hetze. Trotzdem ist in Münster erstmals ein ein AfD-Abgeordneter offiziell eingeladen

Aus Münster Andreas Wyputta

400 Jahre seit Beginn des Dreißigjährigen Krieges, der 1648 mit dem Westfälischen Frieden in Münster und Osnabrück zu Ende ging. 100 Jahre seit dem 1. Weltkrieg mit seinen 17 Millionen Toten. Das „Inferno des 2. Weltkriegs“, die „Vernichtung des europäischen Judentums“: Der historische Abriss, gehalten von Thomas Sternberg, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) bei der Eröffnung des 101. Katholikentags auf dem Domplatz, soll aufrütteln – ebenso wie der Appell des Bischofs von Münster, Felix Genn, der sich eine „erneuerte, starke Friedensbewegung“ wünscht.

Wachrütteln sollen auch Mahnungen, mit denen sich ZdK und Kirche den neuen Scharfmachern, den rechtspopulistischen Hasspredigern in den Weg stellen wollen: Bischof Genn warnt vor „Rassismus, Fremdenfeindlichkeit oder Hetze gegen Menschen mit Behinderungen“, nennt sie „zutiefst unchristlich“. In seinem „Münsteraner Manifest“ geißelt das ZdK „Nationalismus und Egoismus“ ebenso wie „Ausgrenzung, Verleumdung und Hetze“.

Gemeint ist mit alldem natürlich die AfD. Allein: Den Namen der neurechten Partei nehmen weder der Bischof noch der ZdK-Präsident in den Mund. Stattdessen hat die Katholikentagsleitung eine äußerst umstrittene Entscheidung getroffen: Mit dem Abgeordneten Volker Münz ist erstmals ein AfD-Vertreter zum größten katholischen Laientreffen der Bundesrepublik eingeladen. Am Samstag soll der 53-Jährige mit Religionspolitikern aller Bundestagsparteien beim Podium „Nun sag’, wie hast du’s mit der Religion?“ über das Verhältnis von Staat und Kirche diskutieren.

Ein Dammbruch, ein Skandal sei diese Einladung, warnen kritische TheologInnen, Grüne und Linke aus Münster – ebenso wie das Bündnis „Keinen Meter den Nazis“, das gegen den Auftritt demonstrieren wird. Noch 2016 habe der Leipziger Katholikentag signalisiert: „Wir geben der AfD keine Öffentlichkeit“, heißt es in der „Münsteraner Erklärung“ von WissenschaftlerInnen des Instituts für Theologie und Politik ITP (siehe rechte Seite). „Jetzt setzt Münz das Zeichen, mittlerweile sei die AfD akzeptabel“, warnt die Theologin Julia Lis.

„Die AfD radikalisiert sich mit Schießszenarien auf Geflüchtete, Antisemitismus und Hetze gegen Muslime“, mahnt Lisi Maier vom Bund der Katholischen Jugend. Der Katholikentag dürfe der „Normalisierung der AfD keinen Vorschub leisten“, fordert auch der Geschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, Ulrich Schneider: Schließlich hätten AfDler „türkische Mitbürger als Kameltreiber bezeichnet“ und den Begriff „völkisch“ rehabilitieren wollen.

Doch die Katholikentagsleitung hält an der Einladung fest. Vertreten muss die ZdK-Präsident Sternberg – dabei hatte der mit Blick auf die AfD-Beschimpfungen der Kanzlerin als „Merkel-Nutte“ und Boris Beckers Sohn als „Halbneger“ noch im Februar einen Abgrenzungsbeschluss ins Gespräch gebracht. „Zunehmend an den Nationalsozialismus“ erinnerten ihn die Parolen der AfD, so Sternberg vor einem Vierteljahr. Heute sagt er: Wer die Partei nicht einlade, gebe ihr „nur die Chance, sich als Märtyrer zu inszenieren“.

Tipp:„Nun sag’, wie hast du’s mit der Religion?“ über das Verhältnis von Staat und Kirche, mit VertreterInnen aller Bundestagsparteien, u. a. Volker Münz (AfD), Sa., 14.00– 15.30 Uhr, Halle Münsterland

Wer das verstehen will, hört in Münster immer wieder den Namen Klaus Winterkamp. Als Leiter des Katholikentagbüros des Bistums ist der Domkapitular einflussreich: „Ich habe schon 2016 gesagt, dass wir nicht so tun können, als gäbe es die AfD nicht“, erklärt er. Und bei einem Bundestagswahlergebnis von 12 Prozent könne die Partei erst recht nicht mehr ignoriert werden.

Dabei ist der Pfarrer kein Vertreter des ultrakonservativen Milieus, dass die traditionelle Familie verherrlicht, Homosexualität dagegen für Sünde hält – im September haben 9 Prozent aller deutschen KatholikInnen AfD gewählt. Winterkamp findet, der Islam gehöre „selbstverständlich“ zu Deutschland. Bayerns CSU-Ministerpräsident Markus Söder, der das Symbol des Christentum in jeder Behörde sehen will, wirft er vor, „das Kreuz als politisches Zeichen zu missbrauchen“. Und über all das könnten die PolitikerInnen doch trefflich streiten, hofft der Domkapitular.

Denn Münz tritt zwar äußerlich bürgerlich-verbindlich auf, bleibt aber Hardliner. „Versuche, den Koran aufgeklärt zu deuten, sind gescheitert“, verkündet er. „Deshalb halte ich den Islam für nicht kompatibel mit unseren Werten.“ Auch die Anfrage, mit der seine Bundestagsfraktion einen Zusammenhang zwischen Zuwanderung, Inzest und Menschen mit Behinderung herstellte, hat er vehement verteidigt.

Dennoch könnte der AfDler ausgerechnet auf dem Katholikentagspodium Unterstützung bekommen. Zwar kenne er Münz nicht persönlich, sagt Christian Hirte von der CDU. „Seine These, der Islam sei nicht kompatibel mit den Werten der bundesdeutschen Gesellschaft, halte ich hinsichtlich der Scharia für einen ernstzunehmenden Stadtpunkt“, findet er aber. Der aus Thüringen stammende Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium will offenbar wie andere ostdeutsche Christdemokraten in Richtung AfD anschlussfähig werden: „Wir brauchen dringend eine Diskussion über die Frage, ob es überhaupt so etwas wie einen aufgeklärten Islam gibt“, sagt Hirte – und klingt nach Münz.

Christine Buchholz, Bundestagsabgeordnete der Linken, hat dagegen bereits über einen Boykott nachgedacht. „Ich habe bei SPD und Grünen sondiert, ob der gemeinsam möglich wäre“, sagt sie. „Leider konnten wir keine gemeinsame Linie finden.“

„Ich habe schon 2016 gesagt, dass wir nicht so tun können, als gäbe es die AfD nicht“

Klaus Winterkamp, Leiter des Katholikentagbüros

Kerstin Griese von der SPD hält dagegen, der AfD dürfe nicht nur im Bundestag Paroli geboten werden. „Grundsätzlich finde ich es richtig, die AfD einzuladen“, meint auch Bettina Jarasch, die für die Grünen in Münster sein wird. „Ich hätte mir aber gewünscht, dass ein hoher Kirchenvertreter die Frage diskutiert: „Christ sein und in der AfD – passt das überhaupt zusammen?“

Dann erinnert Jarasch an den evangelischen Kirchentag 2017: Dort habe Bischof Markus Dröge die universalistischen Werte des Christentums mehr als überzeugend vertreten, die Rechtspopulisten demaskiert – seine Gesprächspartnerin, Anette Schultner von den „Christen in der AfD“, trat noch im gleichen Jahr aus der Partei aus.

Zumindest diese Chance hat die katholische Kirche vertan.

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