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2.500 Menschen tragen Kippa

Bei Kundgebung warnen Redner vor stärker werdendem Antisemitismus

Von Lin Hierse

Man könnte meinen, es wäre alles wie immer an diesem Mittwochabend. Am Ku’damm strömen Touristen in Cafés, Fast-Food-Ketten und Schuhgeschäfte, Radfahrer schlängeln sich durch den Feierabendverkehr. Nur das große Polizeiaufgebot lässt darauf schließen, dass ein bisschen was anders ist in Charlottenburg.

In der Fasanenstraße haben sich in der Abendsonne 2.500 Menschen vor dem Haus der Jüdischen Gemeinde versammelt, um unter dem Motto #BerlinträgtKippa ein Zeichen gegen Antisemitismus zu setzen. Am Dienstag vergangener Woche waren zwei Kippa tragende Männer von einem Arabisch sprechenden Mann angegriffen worden. Die Jüdische Gemeinde hatte daraufhin zur Kundgebung eingeladen.

Der Präsident des Zentralrates der Juden, Josef Schuster, warnt davor, den Judenhass kleinzureden. Viele Juden hätten Angst, sich zu ihrem Glauben zu bekennen. Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Gideon Joffe, warnt vor wachsendem Antisemitismus. Es sei „fünf vor zwölf. Wir müssen vorsichtig sein.“ Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) betont: „Antisemitismus hat in unserer Stadt keinen Platz.“

Ein Querschnitt Berlins

Frauen in weißen Blusen verteilen schwarze ­Kippot aus glänzendem Stoff an diejenigen, die selbst keine eigene mitbringen konnten. Das Publikum wirkt beinahe wie ein Querschnitt durch Berlin. Alte und Junge, Familien mit Kindern, Männer, Frauen, Juden, Christen, Muslimas mit Kopftuch und solche Menschen, die gar nicht glauben, tragen die Kappe in allen möglichen Formen und Farben.

Leider verläuft eine zur gleichen Zeit angemeldete Kundgebung am Neuköllner Hermannplatz weniger friedlich. Zwei junge Männer, die dort mit Israelflagge und Kippa demonstrierten, sollen bereits nach 15 Minuten von einem 50-jährigen Passanten beschimpft worden sein. Wenig später entreißt ein Mann den Demonstranten die Flagge und wird vorübergehend von der Polizei in Gewahrsam genommen.

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