: Frauen wollen selbst entscheiden
Tagung gegen den Paragrafen 219a
Von Annika Lasarzik
Es ist paradox. ÄrztInnen dürfen Schwangerschaftsabbrüche vornehmen – doch öffentlich drüber sprechen sollten sie besser nicht. Wer zum Beispiel online über Methoden und Risiken informiert, macht sich laut Paragraf 219a des Strafgesetzbuches strafbar. Und riskiert, angezeigt und verurteilt zu werden, so wie die Gießener Ärztin Kristina Hänel. Wie kann das sein?
Am Dienstag kommt Hänel selbst zu Wort, auf einer Fachtagung von Pro Familia spricht sie in Hamburg über ihren Protest gegen das umstrittene Informationsverbot. Der Titel der Tagung ist zugleich eine klare Forderung: „Weg mit der Kriminalisierung, hin zur sexuellen Selbstbestimmung!“ Geplant sind Vorträge von ÄrztInnen und JuristInnen. Helga Seyler, Frauenärztin im Familienplanungszentrum Hamburg, wird etwa über die Versorgungssituation in Deutschland sprechen. Ulrike Lembke, Professorin für Gender im Recht, und Ulrike Busch, Professorin für Familienplanung, klären rechtliche Grundlagen und diskutieren die Frage, ob ungeborenes Leben „weniger geschützt wäre, wenn es den § 219a nicht mehr geben würde“. Die Gäste können mitdiskutieren – und Redebedarf gibt es: 150 TeilnehmerInnen kommen, mehr als vorgesehen. „Wie groß das Interesse ist, hat uns selbst überrascht“, sagt Kerstin Falk, die Geschäftsführerin von Pro Familia Hamburg.
Der Verein fordert die Abschaffung von § 219a. Es gehöre „viel Biss und Durchhaltevermögen dazu“, sich wie Kristina Hänel öffentlich gegen das Verbot zu stellen, sagt Falk. Und Mut: Radikale Abtreibungsgegner stellen ÄrztInnen auf Seiten wie „babykaust.de“ an den Pranger, bedrohen und zeigen sie an, dabei berufen sie sich auf das Informationsgebot. Die Folge: Viele ÄrztInnen scheuen vor Abtreibungen zurück. „Die Hemmschwelle ist größer geworden, gerade in ländlichen Regionen befürchten viele, angezeigt zu werden“, sagt Falk. So entstehe eine Versorgungslücke: „Kommen etwa in Niedersachsen oder in Bayern Schwangere, die abtreiben wollen, in die Konfliktberatung, müssen wir sie zu Ärzten in die nächstgrößere Stadt schicken.“
In Hamburg ist die Lage indes entspannt, ÄrztInnen werden selten angefeindet. Dazu trägt auch die Haltung der Gesundheitsbehörde bei, die auf ihrer Homepage Praxen auflistet, in denen Schwangerschaftsabbrüche möglich sind.
Etwas Gutes habe die neu entbrannte Debatte aber: „In der breiten Öffentlichkeit war 219a vorher kaum bekannt. Jetzt erkennen viele jüngere Frauen, dass ihr Recht auf Selbstbestimmung eben nicht selbstverständlich ist. Und dass es sich lohnt, dafür zu kämpfen.“
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