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Auf ein Glas, oder zwei, drei, vier

Marx hat in allen Lebenslagen Alkohol getrunken, gesoffen gar. Ein besonderes Verhältnis hatte er zum Wein

Von Kathrin Baumeister

Waschen, Kämmen und Wäschewechsel gehört bei ihm zu den Seltenheiten; er berauscht sich gern“, schrieb János Bangya, ungarischer Revolutionär und späterer Polizeispion, 1853 über Karl Marx. Dieser diabolische Marx passt gut zu den Vorstellungen eines unsympathischen Extremisten, als den ihn viele heute noch sehen. Doch konnte Marx auch anders, häufig hat er Bella Figura gemacht, hat sich elegant gekleidet, einen Teil seines Bartes schwarz färben lassen und höflich über Literatur und Poesie parliert.

Zur Wahrheit gehört jedoch auch, dass er in allen Lebenslagen gerne getrunken hat: Marx hat zusammen mit seinen Bonner Kommilitonen so viel gesoffen, dass er in den Karzer kam, in die Arrestzelle der Universität. Er hat im Berliner Doktorclub bescheidener weitergetrunken, und in Paris und in Brüssel wurde ihm in den berühmten Kaffeehäusern nicht nur Kaffee serviert.

Auch nach seinem Umzug nach England musste Marx auf Wein nicht verzichten. Spätestens seit dem Mittelalter wurde Mosel- und Rheinwein auf die Insel importiert. Zudem wurden in England – wie in ganz Europa – unterschiedliche Alkoholika als Medizin eingesetzt: Bei einer sehr langwierigen Krankheit verordnete Karl Marx’Hausarzt ihm „3–4 Gläser Portwein, 1 halbe Flasche Bordeaux täglich und das vierfache vom gewöhnlichen Essen“.

Es galt die Regel: Bordeaux und Port für Kranke, Rhein- und Moselweine für Gesunde, und so meinte Marx: „Mehr als aller Medizin verdanke ich dem Bordeaux.“ Seine Frau Jenny von Westphalen dagegen schwor auf Port und war sich sicher: „Er wird mich wieder auf den Strumpf bringen.“

Marx und Engels lebten lange örtlich getrennt in London und Manchester. Sie besuchten sich häufig, mussten aber meist per Brief kommunizieren, was uns heute einen aufschlussreichen Einblick ins Denken der beiden Männer ermöglicht.

Dazu passend hatten sie auch eine postalische Weinkommunikation: Wenn Friedrich Engels einen guten Tropfen in Manchester erstand, schickte er Familie Marx meist ein paar Flaschen nach London. So bedankt sich Jenny von Westphalen in einen Brief an Engels für „die 50 schlanken Männer“, also die typischen Moselweinflaschen, in diesem Fall „köstlicher Braunenberger“.

Wein trinkend und diskutierend im Kreis seiner Freunde und Mitstreiter, so stellen wir uns den Philosophen vor. Doch schon in seiner Zeit bei der Rheinischen Zeitung in Köln schrieb Marx eine Artikelserie über die Nöte der Moselwinzer, die durch die Abschaffung der preußischen Binnenzölle unter der Konkurrenz aus Rheinhessen und der Pfalz litt.

Doch war er auch im Besitz von Weinproduktionsmitteln. „Da ich aus einer Weingegend stamme und Ex-Weinbergbesitzer bin …“, schreibt Marx in einem Brief an François Lafargue, den Schwiegervater seiner Tochter Laura. Karl Marx selbst war kein Winzer, doch die Beziehungen seiner Familie zum Wein gehen über das Übliche hinaus.

Ein wichtiger Grund dafür ist Marx’ Herkunftsort Trier: In der Moselregion wurden bereits im 19. Jahrhundert absolute Spitzenweine produziert. Schon für Karls Vater Heinrich Marx rentierte sich eine Investition in Wein. Er kaufte Anteile am Grünhäuser Viertelsberg, wie er damals hieß, nur wenige Kilometer östlich von Trier bei Mertesdorf gelegen. Heute ist die Lage im Alleinbesitz des Weinguts Maximin Grünhaus. In den Steillagen wird der Wein wie im 19. Jahrhundert von Hand gelesen und im besten Sinne altmodisch ausgebaut, weil Winzer Carl von Schubert viel Wert auf Tradition legt.

Der andere Weinberg, den Familie Marx in der Nähe von Trier besaß, konnte mit der Qualität der Grünhäuser Lagen nicht mithalten. Auf solchen Kleinparzellen wurde, wie damals üblich, auch Obst und Gemüse für die Verpflegung der Familie angebaut.

Karl Marx’ letzte Trier-Reise galt der Regelung des Nachlasses seiner Mutter Henriette. Er musste den Weinbesitz aus dem Erbe möglichst erfolgreich versteigern lassen. Dies gelang durch einen Trick: Ein alter Freund bot als Strohmann mit und es wurde ein Gewinn von 722 Thalern erzielt. Eine ansehnliche Summe, ein Tagelöhner kam nur auf 50 Thaler pro Jahr. Die Familie Marx verstand es aber, Geld in jeglicher Höhe unverzüglich unter die Leute zu bringen.

Heute wird mit Marx’ Weinvergangenheit ein gutes Geschäft gemacht. Das Weingut Erben von Beulwitz, ebenfalls in Mertesdorf und in unmittelbarer Nachbarschaft des früheren Marx’schen Weinbergs gelegen, ließ sich den Namen „Karl-Marx-Wein“ vom Patentamt schützen. Seit 2004 wird der Wein, ein Blauer Spätburgunder, gekeltert.

Es gibt noch einige andere Weingüter im Mosel-Anbaugebiet mit Bezug zu Karl Marx. So drucken die Bischöflichen Weingüter von Trier das Konterfei von Marx auf das Etikett ihres „Kultur Rieslings“. Zum Besitz der Bischöflichen Weingüter gehört seit 2003 auch das Weingut Friedrich-Wilhelm-Gymnasium, das wiederum über 400 Jahre zur Finanzierung der gleichnamigen Schule diente – der Schule, auf der Karl Marx 1835 in Trier sein Abitur machte.

Einen noch früheren Bezug in Karl Marx’ Leben können Max von Kunow mit seinem Weingut von Hövel und Günther Jauch – genau, der Fernsehmoderator – mit seinem Weingut Von Othegraven vorweisen. Beide sind ein paar Kilometer die Saar flussaufwärts gelegen. Gegründet wurden die Weingüter vom gemeinsamen Urahn Emmerich Grach. Der unterschrieb vor 200 Jahren die Geburtsurkunde von Karl Marx.

Wer des großen Philosophen allerdings richtig gedenken und dabei der Zeit des 19. Jahrhunderts Tribut zollen will, der besorge sich einfach einen guten Winzersekt. Sekt wurde von Familie Marx gern getrunken und ist in Marx’ Kinderzeit von Jules Robin 1828 in Trier eingeführt worden. Jedes Lieblingsgetränk – solange es genügend Alkohol enthält – eignet sich daher gleichermaßen, um stilvoll auf Karls 200. anzustoßen.

Kathrin Baumeister, 45, Kunsthistorikerin und Theologiedozentin, beschäftigt sich seit 20 Jahren mit dem jungen Marx in Trier und führt dieses Jahr in allen Trierer Marx-Austellungen. Ihr Mann Jens Baumeister hat das Buch „Wie der Wein Karl Marx zum Kommunisten machte“ geschrieben.

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