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„Ein Befreiungsschlag, auch für Dercon selbst“

Die Volksbühnen-Debatte war belastend, sagt Daniel Wesener (Grüne). Er fordert eine Findungskommission

Foto: Die Grünen

Daniel Wesener

ist parlamentarischer Geschäftsführer und Sprecher für Kultur der Grünen.

Interview Bert Schulz

taz: Herr Wesener, die Ära Chris Dercon ist nach nicht mal einer Theatersaison vorbei. Überrascht?

Daniel Wesener: Ich empfinde diese einvernehmliche Trennung als einen Befreiungsschlag, vermutlich auch für Chris Dercon selbst, vor allem aber für die Berliner Kulturpolitik. Die Debatte der letzten Monate war für alle Beteiligten belastend.

Dercon wurde 2015 vom damaligen Auch-Kultursenator Michael Müller geholt. Wie viel Schuld trägt Müller an der jetzigen Situation?

Viele Leute tragen Verantwortung. Sicherlich muss man die politische Entscheidung von damals hinterfragen und daraus Konsequenzen ziehen. Auch Chris Dercon hat sich nicht immer besonders geschickt in der Berliner Öffentlichkeit präsentiert und ist mit seinem künstlerischen Konzept ja offenbar gescheitert. Und es gab viele andere Akteure, die mit ihren Beiträgen die Volksbühnen-Debatte immer weiter eskaliert haben.

Hat Dercon es nicht geschafft, darzustellen, was er künstlerisch erreichen will?

Er hatte ja offenbar den expliziten Auftrag, eine neue Volksbühne zu schaffen. Das Konzept, mit dem er angetreten ist, kann man kritisieren, letztlich ist es nicht aufgegangen. Ihm die alleinige Schuld zuzuweisen wäre ungerecht.

War das Konzept falsch?

Es hat zumindest nicht funktioniert, vor allem nicht an diesem Ort. Über die Köpfe der Stadtgesellschaft hinweg aus einem Haus wie der Volksbühne etwas völlig anderes zu machen kann man zwar Mut zum Neuanfang nennen, musste aber schiefgehen.

Dercon ist sehr hart angegangen worden, teilweise sogar tätlich. Hat die Kulturszene Dercon vertrieben? War das kulturelle Barbarei?

Den Begriff würde ich mir nicht zu eigen machen. Und wer den Anspruch hat, ein Haus wie die Volksbühne künstlerisch neu zu prägen, der muss auch mit Kritik daran umgehen können. Allerdings ist diese Kritik in den vergangenen Monaten in vielen Fällen deutlich über das hinausgegangen, was man als sachlich bezeichnen kann. Es war erschreckend, wie viele Menschen hier einen Identitätskampf herbeigeredet haben, mit einer rhetorischen Schärfe, die viele Verletzungen hinterlassen hat.

Was wünschen Sie sich?

Entscheidungen über Intendanzen sind nicht nur Entscheidungen über Personen, sondern auch über Konzepte und die Weiterentwicklung des Profils einer Kultureinrichtung. Ich würde mir eine Findungskommission für die Dercon-Nachfolge wünschen, auch mit externen Experten.

Dauert das nicht zu lange?

Es gibt mit dem neuen Geschäftsführer Klaus Dörr eine kommissarische Leitung. Da ist die Volksbühne in guten Händen. Ein Neustart kann keine Schnellschüsse vertragen. Alle Beteiligten sollten sich also ein wenig Zeit nehmen.

Was heißt „ein wenig“?

Ich gehe davon aus, dass es nach der Sommerpause erste konkrete Vorschläge zum weiteren Verfahren gibt.

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