die dritte meinung: Wir dürfen Emmanuel Macron jetzt nicht im Regen stehen lassen, sagt Gunther Krichbaum
Gunther Krichbaum
CDU, ist Vorsitzender des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union im Deutschen Bundestag.
Seit der Wahl von Emmanuel Macron besteht eine fast historische Chance, zu einem neuen Aufbruch in Europa zu kommen. Es wäre fatal, wenn wir diese Möglichkeit in Zeiten, in denen europaweit populistische Bewegungen von rechts und links Zulauf erhalten, leichtfertig vergeben würden. Offenheit gegenüber Macron bedeutet natürlich nicht, dass wir seine Vorschläge pauschal und kritiklos übernehmen müssen. Aber wir dürfen ihn jetzt nicht im Regen stehen lassen, sondern müssen mit seinen Vorschlägen konstruktiv umgehen.
Nur so können wir auch den deutsch-französischen Motor wieder zum Laufen bringen. Dieser stockte, weil Frankreich notwendige Reformen jahrelang verschleppt hat. Das hat sich unter Macron endlich geändert. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Europa von einer engen deutsch-französischen Zusammenarbeit immer profitiert hat. Das wird in den anderen EU-Staaten im Übrigen nicht als Dominanz angesehen. Im Gegenteil: Dort wartet man geradezu darauf, dass Deutschland und Frankreich gemeinsam Europa weiterdenken.
Die Populisten gewinnen einen großen Teil ihrer Anziehungskraft durch permanentes Schlechtreden von Europa. Deshalb müssen wir klar formulieren, welches Europa wir wollen, wo wir einen neuen Aufbruch brauchen, wo Europa einen echten Mehrwert bietet. Auch in Stellungnahmen meiner Fraktion sollte sich widerspiegeln, was wir wollen und nicht nur das, was wir nicht wollen.
In Zeiten von Globalisierung, Digitalisierung, dem Aufkommen neuer Regionalmächte und weltweiter Migration ist eine starke europäische Stimme nötiger denn je. Nur gemeinsam werden wir gegenüber so unterschiedlichen Akteuren wie China, Russland und den Trump-USA bestehen und unsere Werte und Vorstellungen von einem guten Zusammenleben in Frieden, Freiheit, Rechtstaatlichkeit, Wohlstand und sozialer Sicherheit durchsetzen können. Hierfür ist jeder europäische Staat für sich allein genommen viel zu klein – und sei er auch noch so groß.
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