Zeitungsbericht: Immer mehr Salafisten

Laut „Tagesspiegel“ hat sich die Anzahl in Deutschland seit 2013 verdoppelt. Experten bezweifeln die Angaben

Von Volkan Ağar

Die Zahl von Salafisten in Deutschland soll sich laut einem Bericht des Tagesspiegels seit 2013 verdoppelt haben. In dem am Mittwoch erschienenen Bericht heißt es, dass am Ende des ersten Quartals 2018 11.000 Salafisten zu verzeichnen waren. Die Zahlen gingen „aus Tendenzmeldungen der Landesbehörden für Verfassungsschutz“ hervor. 2013 habe das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) noch 5.500 Salafisten gezählt. Die Zunahme sei nicht in allen Bundesländern gleichmäßig: Kleine Länder wie Berlin oder Hamburg seien stärker betroffen.

ExpertInnen aus dem Bereich pädagogischer Prävention und Deradikalisierungsarbeit sehen diese Zahlen kritisch. Die Islamismusexpertin Claudia Dantschke, Mitbegründerin von „Hayat-Deutschland“, einer Beratungsstelle für Deradikalisierung, sagte, dass die veröffentlichten Zahlen nicht belegen, dass die Zahl von Salafisten zugenommen habe. Laut Dantschke seien die Vergleichszahlen von 2013 „viel zu niedrig angesetzt, das Dunkelfeld damals sehr groß“ gewesen. Die neuen Zahlen zeigten nun lediglich, „dass es dem Verfassungsschutz immer mehr gelingt, das Dunkelfeld aufzuhellen“, so Dantschke. Die Zahlen hält sie für fragwürdig: „Wir haben keinerlei empirische Studie.“

Auch Jochen Müller, Islamwissenschaftler und Mitbegründer von „ufuq“, einem Verein für politische Bildung und Prävention von Islamismus, weist darauf hin, dass Zahlen wie diese grundsätzlich mit Vorsicht zu interpretieren seien – unter anderem weil die Aufmerksamkeit und Sensibilisierung für das Thema Salafismus heute insgesamt größer sei als noch 2013.

Zugleich konstatiert Müller, dass es einerseits weiterhin Zuspruch an eine gewaltbereite, islamistische Szene in Deutschland gebe. Andererseits sagt er: „Jugendliche artikulieren Positionen, Provokationen oder Konflikte zunehmend religiös, auch wenn diese Konflikte eher politisch oder sozial begründet sind. Hier können Salafisten mit ihren Identitätsangeboten andocken.“ Viele Jugendliche, deren Eltern und Großeltern schon in Deutschland geboren seien, fühlten sich zudem wegen Debatten, wie sie zuletzt Heimat- und Innenminister Horst Seehofer über die Zugehörigkeit des Islam zu Deutschland initiiert habe, ausgeschlossen. „Solange es kein starkes Signal von Anerkennung an diese Jugendliche gibt, können auch Salafisten dieses Vakuum ausnutzen“, sagt Müller. Auch äußert Müller sich besorgt darüber, dass die Bedeutung von pädagogisch präventiver Arbeit neben sicherheitspolitischen Aspekten unterschätzt würde.

Eine Sprecherin des Bundesamts für Verfassungsschutz bestätigte gegenüber der taz die vom Tagesspiegel veröffentlichten Zahlen. Bis zum Redaktionsschluss machte das Bundesamt jedoch keine Angaben darüber, wie diese Zahlen erhoben wurden.