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Israel gegen Ermittlungen zu Gaza

Regierung verteidigt Vorgehen gegen Palästinenser. Für Premier Netanjahu sind die Unruhen eine willkommene Ablenkung von Korruptionsermittlungen

Aus Jerusalem Susanne Knaul

Drei Tage nach den tödlichen Schüssen auf palästinensische Demonstranten im Gazastreifen hält Israels Regierung unverändert an dem Vorgehen der Armee fest. Man werde sich auch künftig „nach dem Prinzip der eisernen Mauer“ zur Wehr setzen, kündigte Verteidigungsminister Avigdor Lieberman an.

Die Palästinenser planen ihre Protestaktion „Marsch der Rückkehr“ noch weitere sechs Wochen fortzusetzen. UN-Generalsekretär Antonio Guterres forderte eine Untersuchung der Vorfälle am vergangenen Freitag, bei denen insgesamt 18 Palästinenser getötet worden waren. Lieberman lehnte Ermittlungen ab und riet stattdessen dazu, „den Tod von einer halben Million Menschen in Syrien zu untersuchen, Hunderttausende Tote im Jemen, in Libyen und im Sudan“. Mit den Unruhen im Grenzgebiet lenken die Palästinenser die Aufmerksamkeit auf die wachsende Not im Gazastreifen. Knapp drei Viertel der Menschen dort leben in den Flüchtlingslagern und sind auf Nahrungsmittelhilfen angewiesen. US-Präsident Donald Trump kürzte jüngst die Zuwendungen der USA an die UN-Flüchtlingshilfe. Der Protest der Palästinenser ist ein Hilferuf an die Welt.

Während Israels Armee die im Gazastreifen herrschende radikal-islamische Hamas für das Blutbad verantwortlich macht und von einem „organisierten Terrorakt“ sprach, hielten sich die Palästinenser an die Version, es handelte sich bei den Toten um Unschuldige. „Es kam zu keinerlei Gewalt, es sind keine Steine geworfen, und keine Kugeln abgeschossen worden“, erklärte Nabil Shaat, ein enger Berater von Palästinenserpräsident Mahmub Abbas. Sämtliche Todesopfer seien im Gazastreifen erschossen worden, „nicht auf israelischem Boden“. Shaat nannte Israels Generalstabschef Gadi Eisenkot einen „Mörder“ und sprach von einem „Kriegsverbrechen“.

Auch in Kairo und Teheran wurde scharfe Kritik gegen das Vorgehen der israelischen Sicherheitskräfte laut, die einhundert Scharfschützen in der Grenzregion postierten, um ein Eindringen der Menschenmassen zu verhindern.

Regierungschef Benjamin Netanjahu reagierte besonders empfindlich auf die Kritik des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan, der die Vorfälle als „Massaker“ bezeichnete und Israel einen „Terrorstaat“ nannte. Netanjahu kommentierte auf seiner Facebook-Seite, dass sich „die moralischste Armee der Welt keine Moralpredigten von jemandem anhören wird, der selbst seit Jahren die Zivilbevölkerung ohne Unterschied bombardiert“.

Netanjahu kommen die neuen Unruhen angesichts der aktuellen Korruptionsuntersuchungen vermutlich gar nicht so ungelegen. Die polizeilichen Verhöre auch seiner Frau Sara und seines Sohnes Jair, die beide in eine Bestechungsaffäre verwickelt sein sollen, bestimmten in den vergangenen Wochen wiederholt die Schlagzeilen. Dem Regierungschef droht in zwei weiteren Fälle die Anklage. Der Protest der Palästinenser lenkt zumindest temporär von den Vorwürfen gegen ihn ab.

Auch die deutsche Bundesregierung äußerte sich besorgt angesichts der erneuten Eskalation und rief zur Besonnenheit auf. „Die Ausübung des Rechts auf Meinungsäußerung und friedlichen Protest darf nicht missbraucht werden, um die legitimen Sicherheitsinteressen Israels an der Grenze zu den palästinensischen Gebieten zu verletzen. Die Verteidigung dieser legitimen Interessen muss gleichwohl verhältnismäßig erfolgen.“

Der türkische Präsident Erdoğan spricht von einem „Massaker“ und nennt Israel einen „Terrorstaat“

In Tel Aviv gingen am Sonntag Abend nur ein paar hundert Friedensaktivisten aus Protest auf die Straße und forderten, den Beschuss auf die palästinensischen Demonstranten einzustellen. „Wir wollen keinen neuen Krieg“ stand auf ihren Plakaten und „Zwei Völker – eine Hoffnung“. Die antizionistisch-arabische Partei Vereinte Liste hatte zu dem Protest zusammen mit mehreren kleineren Friedensorganisationen aufgerufen. Die überwiegende Mehrheit der jüdischen Bevölkerung in Israel zeigte für die Vorgänge im Süden des Landes bisher kaum Interesse.

Der „Große Marsch der Rückkehr“ soll laut Webseite der Hamas, an das Schicksal der vor genau 70 Jahren vertriebenen Palästinenser erinnern, die nun das Recht auf ihre Rückkehr in die Heimat fordern. Die Protestaktion mit fünf Zeltstädten im Grenzgebiet zu Israel soll bis zum 15. Mai andauern, dem Tag der Nakba, mit dem sie an den Beginn der palästinensischen Flüchtlingskatastrophe 1948 erinnern, als der Staat Israel gegründet wurde.

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