Labours Schatten

Ein Holocaust-Leugner als Kandidat bei Wahlen, antisemitische Äußerungen von Parteiaktivisten: Jeremy Corbyn hat ein Problem

Demonstration gegen Antisemi­tismus in der britischen Labour-Partei vor dem Parlaments­gebäude in London, 26. März Foto: Tolga Akmen/afp

Aus London Daniel Zylbersztajn

„Dies ist eine äußerst wichtige Zeit für die Labour-Partei. Wir müssen den Schmutzfleck des Antisemitismus einer Minderheit unserer Parteimitglieder ausmerzen.“ Mit diesen Worten trat am Wochenende das neueste Mitglied des Labour-Parteivorstands sein Amt an: Eddie Izzard. Er ist eigentlich Kabaretitst. Aber zum Lachen ist die Lage der britischen linken Oppositionspartei und ihres Chefs Jeremy Corbyn keineswegs.

Izzard tritt an die Stelle von Christine Shawcroft, die bisherige Leiterin der parteiinternen Schiedsstelle und zugleich eine Direktorin der Corbyn-treuen Basisbewegung „Momentum“. Shawcroft war am Samstagabend zurückgetreten, weil sie, „ohne sich aller Umstände klar zu sein“, wie sie behauptete, die Suspendierung eines als Holocaustleugner überführten Labour-Kandidaten bei den anstehenden Kommunalwahlen abgelehnt hatte. Alan Bull aus der Stadt Peterborough hatte auf Facebook behauptet, dass das Rote Kreuz bestätigt hätte, der Holocaust an sechs Millionen Juden sei eine Falschmeldung.

Shawcrofts Rücktritt war erst der Anfang. Am Sonntag titelte die britische Sunday Times, sie habe in einer zwei Monate andauernden Recherche mehr als 2.000 rassistische, antisemitische und frauenfeindliche Nachrichten innerhalb der 20 Corbyn am meisten unterstützenden Facebook- und Twitter-Gruppen mit insgesamt über 400.000 Mitgliedern aufgespürt. In diesen Gruppen seien mindestens ein Dutzend hochrangige Labour-Parteifunktionäre Mitglieder gewesen. Die Rede war von Israelfahnen mit künstlich eingesetzten Hakenkreuzen, von Holocaustverleugnung, von Theorien über die „jüdische Weltverschwörung“ und Verbindungen zwischen Israel, dem IS und den Rothschilds. Dazu kamen Aufrufe, konservative Politiker zu erschießen und bestimmte Journalistinnen zu lynchen, sowie Behauptungen, dass Juden dies und jenes kontrollierten.

Die Corbyn-Fangruppen mit Namen wie „Jeremy Corbyn führt uns zum Sieg“, und „Wir unterstützen Jeremy Corbyn“ dementieren Antisemitismus und sagen, es handele sich bei alldem nur um einen Versuch, den Einsatz für die palästinensische Sache zu beschmutzen. Ein Sprecher Labours erklärte, dass diese Gruppen weder von der Labour-Partei geführt seien noch offiziell in Verbindung mit der Partei stünden, und dass weder Jeremy Corbyns Büro noch das seines Stellvertreters John McDonnell diese Dinge gepostet, gesehen oder gut geheißen hätten.

Dennoch löschte Jeremy Corbyn am Sonntag sein Privatkonto auf Facebook, mit dem er jahrelang operiert hat. Vor einer Woche hatten jüdische Verbände Proteste vor dem Parlamentsgebäude in London organisiert, als eine Nachricht von Corbyns Konto aus dem Jahr 2012 zum Vorschein kam, in welcher er Unverständnis für die Zerstörung eines antisemitischen Wandgemäldes ausdrückte. Er habe sich das Wandgemälde nicht richtig angesehen, entschuldigte er sich später. Nun existiert nur noch sein offizielles Konto.

Und inmitten dieser weiteren Enthüllungen trat einer der ehemals größten Spender aus der Partei aus. Sir David Garrard, der selber jüdisch ist und Labour seit dem Jahr 2003 1,5 Millionen Pfund gespendet hat, begründete dies mit dem Scheitern der Partei, auf vollkommen offensichtliche antisemitische Vorkommnisse zu reagieren.

Es handele sich aber nur um 0,2 Prozent der Parteimitglieder

Jeremy Corbyn , Labour-Chef

Dass es diese Vorkommnisse bei Labour gibt, bestreitet nicht einmal Jeremy Corbyn selbst. Der Labour-Chef erklärte der jüdischen Zeitung Jewish News letzte Woche, dass es seit 2015 an die 300 Fälle gab, von denen 60 untersucht würden. 150 Mitglieder seien aus der Partei ausgeschlossen worden oder zurückgetreten. Es handele sich aber nur um 0,2 Prozent der Parteimitglieder. Er habe angeordnet, dass alle Teile der Empfehlungen eines parteiinternen Berichts zu Rassismus und Antisemitismus in der Partei – der Chakrabarti-Bericht, benannt nach seiner Autorin – umzusetzen seien, ebenso Antisemitismus-Training.

Doch eine Untersuchung des Innenausschusses im britischen Parlament zum Antisemitismus bezeichnete 2016 den Labour-Bericht bereits als mangelhaft und unglaubwürdig. Ihm fehle eine Definition des Antisemitismus, und dass die Autorin Shami Chakrabartis, ehemalige Leiterin der Bürgerrechtsorganisation Liberty, direkt nach seiner Erstellung zum Labour-Mitglied im House of Lords befördert wurde, sei fragwürdig.

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