piwik no script img

Wilde Ehe und Fips Asmussen auf Crack

Die 68er feiern in diesem Jahr runden Geburtstag und daran kommt auch das kleine Hamburger Kino B-Movie nicht vorbei. Mit einer Filmreihe erinnern die Programmmacher an den Traum von der Revolution – und verzichten nicht auf einen queeren Klassiker

Von Wilfried Hippen

Noch hat die Übersättigung nicht eingesetzt, aber die 68er sind zu ihrem runden Geburtstag allgegenwärtig. Später im Jahr würde man zu der Filmreihe „1968 – Von Revolutionen träumen“, die jetzt vom Hamburger B-Movie veranstaltet wird, wohl nur noch müde abwinken – die Terminierung ist also schon geschickt.

Gezeigt werden zehn Spielfilme aus den Jahren 1965 bis 1970, darunter Klassiker wie Peter Zadeks „Ich bin ein Elefant, Madame“ mit dem ikonografischen Indianertanz rebellischer Oberschüler auf dem Bremer Marktplatz. „Es“ von Ulrich Schamoni über ein Kind, das aus einer wilden Ehe entstanden ist, damals ein höchst provokantes Thema. Und die Komödie „Nicht Fummeln, Liebling“ von May Spils, in der Werner Enke als Gammler die Spießbürger erschreckte.

Einige Filmemacher, die den jungen deutschen Film geprägt haben, sind in dieser Reihe mit ihren Frühwerken vertreten: Beispielsweise Johannes Schaaf mit „Tätowierungen“, in dem er erzählt, wie der 16-jährige Benno sich dem kleinbürgerlichen Leben verweigert, „Brandstifter“ von Klaus Lemke über einen Bombenanschlag auf ein Kölner Kaufhaus oder „San Domingo“ von Hans-Jürgen Syberberg über den Sohn reicher Eltern, der zur Musik von Amon Düül II in eine Rocker-Kommune zieht.

Die Programmmacher des B-Movies haben auch selten gezeigte Fundstücke rausgekramt, wie die Satire über eine Gruppe junger Aussteiger mit dem schönen Titel „Auf Scheißer schießt man nicht“ und „Neun Leben hat die Katze“ von Ula Stöckl, in der eine sich emanzipierende Frau zu bewundern ist.

Politisch korrekt waren die späten 60er Jahre gewiss nicht, „Django Nudo und die lüsternen Mädchen von Porno Hill“, der als Midnight Movie am 7.4. läuft, vermittelt einen guten Eindruck dieses Lebensgefühls. Der Witz ist die parodistische Synchronisation, die ein Kritiker als „Fips Asmussen auf Crack“lobte.

Die Q-Movie Bar, die jeden ersten Samstag im Monat einen polygendered Film zeigt, hat am 7.4. mit Rosa von Praunheims „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“ einen queeren Klassiker auf dem Programm.

Am Samstag, den 28.4., steht dann das Symposium „Filme der 68er – Nachrichten aus der Antike“ an, bei dem Helke Sander und Christian Blau auf dem Podium sitzen werden, die beide Filme über die 68er gedreht haben. Einige werden in dem umfangreichen „68er Dok- und Kurzfilm Special“ laufen, das am Wochenende in vier Blöcken mit Titeln wie „Demos und rote Fahnen in Hamburg“ oder „Agitprop-Filme der Berliner DFFB-Studenten“ die Filmreihe abschließt.

Filmreihe „1968 – Von Revolutionen träumen“: bis 29.4., B-Movie, Brigittenstraße 5, Hamburg

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen