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Linke Bedürfnisse

Die internationalistischen Solidaritätsaufrufe sind eine Phrase, weil es vielen Linken um die eigenen Gefühle und Projektionen geht

Thomas von der Osten-Sacken ist Geschäftsführer der seit über 25 Jahren im Nahen Osten tätigen Hilfsorganisation Wadi e. V. Als freier Publizist schreibt er u. a. für Jungle World und Welt.

Von Thomas von der Osten-Sacken

Es fällt schwer, während die Menschen in Afrin um ihr Leben fürchten müssen, über das Verhältnis deutscher Linker zu Rojava zu schreiben. Was spielt es angesichts der Tragödien vor Ort für eine Rolle, wie sich eine gesellschaftlich marginalisierte Linke zu Kurdistan positioniert? Aufrufe an internationale Solidarität verhallen weitgehend folgenlos. Sie erscheinen, trotz martialischer Sprache und der Rede von Widerstand, nur als Ausdruck eigener Ohnmacht oder Selbstüberschätzung.

Als 2014 während der Belagerung Kobanis durch den „Islamischen Staat“ ausgerechnet die US-Airforce der syrischen Schwesterorganisation der PKK zu Hilfe kam, schien nichts an den Koordinaten liebgewonnener linker Weltbilder mehr zu stimmen. Schließlich verorteten sich PYD und PKK im linken, antiimperialistischen Spektrum. Die PKK steht seit Jahren auf der US-Terrorliste. Und doch schlossen die USA in Syrien ein taktisches Bündnis mit der PYD und unterstützten sie im Kampf gegen den IS. Anfang Januar gab dagegen Russland, das in Teilen der Traditionslinken noch immer als Erbe der Sowjetunion gilt, der Türkei grünes Licht, in Afrin einzumarschieren. Ausgerechnet in Kurdistan kamen die politischen Koordinaten schon kurz nach Ende des Kalten Krieges durcheinander: Es waren 1991 die USA, Großbritannien und Frankreich, die über dem Nordirak eine Schutzzone gegen Saddam Hussein verhängten und dort eine kurdische Autonomie ermöglichten. Ohne Eingreifen des „imperialistischen Washington“ wiederum wäre Kobani 2014 wohl an den IS gefallen.

Ob man es mag oder nicht, dies sind die Fakten. Dagegen dominieren in der Linken verklärende und revolutionsromantische Reisereportagen das Bild von Rojava. Schon seit jeher ist der Nahe Osten eine Projektionsfläche, und in den Kurden sieht man das vermeintlich authentische unterdrückte Volk per se, das möglichst noch in traditionellen Gewändern gegen fremde Besatzer ankämpft. Wenn dies dann noch mit marxistischem Vokabular und kämpfenden Fraueneinheiten geschieht, so scheint endlich das erfolgreiche linke Drittweltexperiment gefunden zu sein. Allzu oft geht es um eigene Befindlichkeiten: Die „kurdische Bewegung“ habe, schreibt das Lower Class Magazine, den „‚subjektiven Faktor‘ in der revolutionären Politik wiederentdeckt. Sie hat (…) unsere Gefühle, unseren Alltag, unsere Art zu leben zurück in den politischen Bereich gerückt.“

Repression gegen innenpolitische Gegner, Zwangsrekrutierungen und andere Maßnahmen, die nicht ins Bild passen, werden ausgeblendet. Was zählt, sind eigene Gefühle und Projektionen. Deshalb gerät die Forderung nach Solidarität auch zur gesinnungspolitischen Phrase. Die PYD/PKK bedient als letzte Gruppe aus dem Trikont die alte linke Bedürfnisstruktur.

Nun ist zu befürchten, dass mit dem Fall von Afrin die Begeisterung für das „revolutionäre Rojava“ abflauen und die Suche nach neuen revolutionären Subjekten beginnen wird. Not täte, neben einer Solidarität mit den Menschen vor Ort – nicht mit Parteistrukturen –, sich endlich vom unseligen „subjektiven Faktor“ zu verabschieden, der seit den 60er Jahren den linken Internationalismus dominiert.

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