Fußball-Filmfestival in Berlin: Rebellen am Ball

Das Filmfestival 11mm im Kino Babylon-Mitte steht drei Monate vor der Weltmeisterschaft in Russland im Zeichen von „Fußball und Macht“.

Turnier als Vorwand: „The Workers Cup“ porträtiert Bauarbeiter der WM-Stadien Katars Foto: The Workers Cup LLC

Ein voll besetzter Bus ruckelt durch die Dunkelheit, am Horizont zeichnet sich die Sonne ab. Die meisten der Insassen dösen vor sich hin, einige tragen Bauhelme, andere haben Tücher um den Kopf geschlungen. Dann erreichen sie ihren Arbeitsplatz: eine in grelles Scheinwerferlicht getauchte riesige Baustelle.

Mit diesen Bildern beginnt der in Katar spielende „The Workers Cup“ (2016). Die Dokumentation eröffnet am Donnerstag das Fußball-Film-Festival 11mm und läuft dort in der Reihe „Fußball und Macht“. Dieser Schwerpunkt macht Sinn, weil in knapp drei Monaten die Weltmeisterschaft in Russland beginnt und die Fifa die Kooperation mit autoritären Regimen auch danach fortsetzt: 2022 folgt eben Katar als WM-Austragungsort.

„The Workers Cup“ begleitet eine Gruppe von ausländischen Arbeitern, darunter vor allem Schwarzafrikaner, Inder, Bangladescher und Nepalesen, die für die Baufirma GCC beim Workers Cup teilnehmen – der wurde eigens für die am Stadionbau beteiligten Migranten ausgerichtet. Regisseur Adam Sobel gelingt es dabei, erstaunlich nah an die ausschließlich männlichen Protagonisten ranzukommen; sie berichten von enttäuschten Erwartungen und Hungerlöhnen ebenso wie über ihre Träume von einem besseren Leben.

Deprimierendes Container-Camp

Die vielen Toten auf den WM-Baustellen Katars, die Amnesty International erstmals 2013 beklagt hatte, werden nur am Rande erwähnt. Aber insgesamt ergibt sich ein recht deprimierendes Bild, gerade vom Leben im Container-Camp, das die Arbeiter kaum verlassen dürfen.

Wenn sie dann beim Workers Cup „ihrem“ Team zujubeln, mag das widersinnig erscheinen. Doch ihnen ist zugleich bewusst, dass der Cup nur ein Vorwand ist, um Katar und die Unternehmen in ein besseres Licht zu rücken. Wie reflektiert die Arbeiter ihre Situation betrachten, scheint dabei immer wieder durch – etwa wenn sie am Mittagstisch darüber philosophieren, was der Begriff Freiheit für sie bedeutet.

Weitere Filme in der Reihe „Fußball und Macht“ – ein anderer Schwerpunkt bei 11mm dreht sich um „Fußball im russischen Film“ – beschäftigen sich unter anderem mit den Schwierigkeiten des kurdischen Vereins Amedspor in der Türkei („The RedGreen“, 2016, Dokumentation) und den listenreichen Versuchen von Frauen, sich im Iran ein Spiel im Stadion anzugucken („Offside“, 2006, Spielfilm).

Internationales Fußball-Film-Festival 11mm: Kino Babylon-Mitte, Rosa-Luxemburg-Str. 30, 22. bis 26. 3., Programm: www.11-mm.de

Um widerständige Fußballergrößen geht es dagegen im Dokumentarfilm „Rebellen am Ball“ (2012), die fünf ehemalige Profis mit politischer Haltung porträtiert – darunter den Chilenen Carlos Caszely, der einst dem Diktator Augusto Pinochet den Handschlag verweigerte und den jugoslawischen Nationalspieler Predrag Pašić, der im umkämpften Sarajevo eine multiethnische Kinderfußballprojekt initiierte.

Nicht zuletzt gehört der in seiner Heimat ehrwürdig „Doktor“ gerufene Sócrates (1954–2011) zu den Porträtierten: Unter dem Schlachtruf „Diretas já“ hatte er sich mit Mitspielern seines damaligen Vereins Corinthians in der Spätphase der Militärdiktatur Brasiliens ab 1982 für freie Wahlen stark gemacht.

„Rebellen am Ball“ ist eine interessante, klassisch aus Archivmaterial und Interviews zusammengesetzte Dokumentation, deren größter Schwachpunkt Eric Cantona als Moderator ist: Die selbstgefällige Attitüde, mit der die als Enfant terrible geltende französische Fußballlegende auftritt, nervt jedenfalls.

Allegorie auf die Ceaușescu-Diktatur

Der wohl ungewöhnlichste Film in der Reihe „Fußball und Macht“ ist die rumänische Dokumentation „The Second Game“ (2014): Während im Hintergrund in krisseligen Schwarz-Weiß-Bildern die Aufzeichnung des Derbys zwischen dem Armeeverein Dinamo Bukarest und dem Polizeiklub Steaua Bukarest vom Dezember 1987 in miserabler VHS-Qualität läuft, unterhält sich der Regisseur Corneliu Porumboiu mit seinem Vater Adrian über die trostlose Partie im Schneetreiben.

Letzterer hatte die Begegnung seinerzeit als Schiedsrichter geleitet. Und wenn Porumboiu senior sich dann als in Sachzwängen gefangener Bürokrat beschreibt, lässt sich der Film durchaus als Allegorie auf die Ceaușescu-Diktatur betrachten.

Seither sind 30 Jahre vergangen und in diesem Zeitraum ist es dem realexistierenden Kapitalismus vielleicht nirgendwo sonst gelungen, das Angebot derartig künstlich aufzublasen wie im globalen Fußball. Inzwischen gibt es so gut wie keinen Tag mehr, an dem kein „wichtiges“ Spiel läuft.

Wenn am 14. Juni die WM nun in Moskau angepfiffen wird, mag man darauf hoffen, dass die russische Zivilgesellschaft den Anlass zumindest dazu nutzen kann, um öffentlichkeitswirksam auf die Missstände im eigenen Land hinzuweisen – so wie es ja auch beim Confederations Cup 2013 in Brasilien der Fall war.

Allerdings zeigt das Beispiel Brasilien auch, dass es keinen Anlass für übertriebene Erwartungen gibt. Sowohl bei der Fußball-WM 2014 als auch zwei Jahre später bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro war es vor allem das massive Polizeiaufgebot, das weitere Proteste auf der Straße verhinderte. Die Sicherheitsapparate Russlands und Katars dürften daraus ihre Lehren gezogen haben.

Dieser Text erscheint im taz.plan. Mehr Kultur für Berlin und Brandenburg immer Donnerstags in der Printausgabe der taz

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