Diskussion um Beobachtung der Partei: AfD-Materialsammlung im Gespräch

Bevor er über eine Beobachtung entscheidet, will der Verfassungsschutz Informationen zur AfD zusammentragen – zumindest prüft er das.

Der AfD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Alexander Gauland.

Soll Alexander Gaulands Partei vom Verfassungsschutz beobachtet werden? Darüber gibt es aktuell Diskussionen Foto: dpa

BERLIN dpa | Als Vorstufe zu einer möglichen Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz erwägt der Inlandsgeheimdienst in Bund und Ländern, eine Materialsammlung zu der Partei zu erstellen. Die Abstimmung zwischen Bund und Ländern dazu laufe aktuell, sagte eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums am Mittwoch in Berlin. Es gehe darum, möglicherweise Sachverhalte zusammenzutragen, auf deren Grundlage über eine Beobachtung der AfD bundesweit entschieden werden könnte. „So eine Entscheidung muss gut vorbereitet sein.“

AfD-Politiker haben in der Vergangenheit immer wieder Schlagzeilen gemacht mit rassistischen Äußerungen oder Verbindungen zu rechten Gruppen. Auf fast jeden Zwischenfall dieser Art folgte die Forderung, der Verfassungsschutz müsse die Partei unter Beobachtung stellen.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) lehnte das bislang ab – mit der Begründung, es gebe keine ausreichenden Anhaltspunkte für ein rechtsextremistisches Bestreben der Partei insgesamt. Die Kriterien dafür seien nicht erfüllt: Eine bundesweite Einflussnahme oder gar Steuerung der AfD durch Rechtsextremisten sei nicht erkennbar. Der Verfassungsschutz habe zu bewerten, ob eine Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung bestehe. Das sei nicht bei jeder radikalen oder grenzwertigen Äußerung der Fall.

Die Sprecherin des Innenressorts betonte aber, die offen vorliegenden Informationen zur AfD würden durch die Verfassungsschützer in Bund und Ländern fortlaufend bewertet. Man habe die Partei genau im Blick. „Die neue Dynamik aufgrund von Äußerungen nehmen wir auch wahr.“ Daher stimme sich das BfV nun eng mit den Ländern über das weitere Vorgehen ab – und eben über die Frage einer Materialsammlung.

Keine Grundlage für bundesweite Beobachtung

Die Leiter der Verfassungsschutzämter aus Bund und Ländern trafen sich am Mittwoch zu einer Tagung in Köln. Das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) hatte vorab berichtet, einige Landesämter drängten die Verfassungsschützer im Bund dazu, deutschlandweit Material für eine mögliche Beobachtung der AfD sammeln zu lassen.

Den Verfassungsschützern aus den Ländern stünde es theoretisch frei, unabhängig vom Bundesamt bereits den jeweiligen Landesverband der AfD unter Beobachtung zu stellen. Der Chef des Geheimdienst-Kontrollgremiums im Bundestag, Armin Schuster (CDU), etwa sagte der Berliner Zeitung, er halte eine Beobachtung der AfD in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen wegen dortiger rechtsextremer Flügel der Partei für angemessen. Eine Grundlage für eine bundesweite Beobachtung sehe er dagegen nicht. Bislang sehen aber auch viele Landesämter noch keine ausreichende Basis, um in eine Beobachtung einzusteigen, wie eine dpa-Umfrage ergab. Man behalte die weitere Entwicklung jedoch im Auge.

Der Verfassungsschutz könnte auch Teile der Partei unter Beobachtung stellen – wie das etwa bei der Linken passiert ist. Der SPD-Innenpolitiker Burkhard Lischka sagte der Stuttgarter Zeitung: „Wenn der Verfassungsschutz die Kommunistische Plattform unter Beobachtung hat, muss er sich auch der Patriotischen Plattform in der AfD widmen.“ Der Leiter des Verfassungsschutzes in Hamburg, Torsten Voß, sagte dem Spiegel: „Bei einzelnen Plattformen muss der Verfassungsschutz aufmerksam bleiben, wie sie sich entwickeln. Da kann die Schwelle der Beobachtung bald erreicht sein.“

Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) sprach sich für die Beobachtung einzelner AfD-Mitglieder aus. Der CSU-Innenpolitiker Stephan Mayer (CSU) wiederum warnte in der Augsburger Allgemeinen, bei einer Beobachtung durch den Verfassungsschutz bestehe die Gefahr, der AfD einen „Märtyrerstatus“ zukommen zu lassen.

Der CSU-Innenpolitiker Stephan Mayer (CSU) warnte, bei einer Beobachtung durch den Verfassungsschutz bestehe die Gefahr, der AfD einen „Märtyrerstatus“ zukommen zu lassen

Der AfD-Vorsitzende Alexander Gauland kommentierte die Debatte nur knapp und sagte auf Anfrage, er halte eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz für falsch. Die AfD sei eine „Rechtsstaatspartei“.

Für Diskussionen zwischen den Verfassungsschützern in Bund und Ländern sorgt auch die Frage, ob das Bundesamt mehr Macht bekommen soll. Mehrere Verfassungsschutzämter in den Ländern sprachen sich auf dpa-Anfrage gegen eine weitere Zentralisierung aus – etwa Hamburg, Bremen oder Schleswig-Holstein. Der Chef der Innenministerkonferenz, Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU), sagte der dpa, die Kompetenzverteilung solle unangetastet bleiben. „Bei einer Riesenbehörde besteht die Gefahr, dass der am einen Ende nicht mehr weiß, was der am anderen Ende macht.“

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