: Umzug der Millionen
Die Markenrechte am jährlichen Karneval der Kulturen sind mehrere Millionen Euro wert. Sie gehören dem Trägerverein der Werkstatt der Kulturen. Doch der wird sich wahrscheinlich bald auflösen, auf Drängen der Senatsverwaltung für Kultur. Was wird dann aus dem Umzug?
Von Alke Wierth
Im Streit über die Werkstatt der Kulturen (WdK) geht es nicht nur um den neuen Träger des interkulturellen Veranstaltungsorts, sondern auch um viel Geld. Der Senat möchte den jetzigen Trägerverein der traditionsreichen Kultureinrichtung an der Neuköllner Hasenheide loswerden. Doch dieser besitzt die Markenrechte für den Karneval der Kulturen – also das Recht zur Verwendung von Namen und Logo der Veranstaltung. Und die braucht der Senat, um den jährlichen Karneval weiter ausrichten zu können.
Das stets zu Pfingsten stattfindende viertägige Multikultifest mit dem berühmten Umzug von Gruppen aus Einwanderercommunities wurde 1996 von der Werkstatt entwickelt und bis 2014 auch von ihr organisiert. Der Umzug und das dazugehörende Fest ziehen jährlich mehr als eine Million BesucherInnen an und spülen viel Geld in unterschiedlichste Berliner Kassen. Ein Gutachten des Professors für Marketing und Branding Henning Sattler von der Universität Hamburg aus dem Jahr 2015 schätzt den Wert der Markenrechte für den Karneval auf 8 bis 16 Millionen Euro.
Träger der Werkstatt ist seit deren Eröffnung 1993 der Verein Brauerei Wissmannstraße. Er wurde eigens zu diesem Zweck gegründet und wird seither vom Senat finanziell gefördert. In seiner Satzung steht als Zweck der „Betrieb der Werkstatt der Kulturen als internationales Begegnungszentrum in der ehemaligen Brauerei Wissmannstraße“.
Die Satzung legt ebenfalls fest, das bei einem „Wegfall des steuerbegünstigten Zwecks“ das Vereinsvermögen auf das Land Berlin übergeht – und damit auch die Markenrechte für den Karneval. Auf Senatsseite ist die Kulturverwaltung zuständig für die Werkstatt; sie hat dem Verein bereits Mitte 2017 gekündigt. Eine Neuausschreibung der Trägerschaft für die Werkstatt hatte Rot-Rot-Grün im Koalitionsvertrag festgelegt.
Dem vorausgegangen war eine Debatte über die inhaltliche Ausrichtung der Werkstatt der Kulturen sowie ein Streit zwischen ihr und der vor 2016 für sie zuständigen Senatsverwaltung für Integration über die Finanzierung eines Sicherheitskonzepts für den Karneval. Ergebnis: 2015 verlor die Werkstatt der Kultur die Verantwortung für den Karneval. Das Fest wurde daraufhin einmalig von der landeseigenen Kulturprojekte GmbH durchgeführt, seit 2016 organisiert die private Piranha Arts AG den Karneval.
Darum geht’s Die Werkstatt der Kulturen (WdK) wurde 1993 von der Ausländerbeauftragten des Senats gegründet. Sie sollte Plattform für interkulturellen Austausch und Ort für Kulturveranstaltungen eingewanderter BerlinerInnen sein. Die 2008 angetretene WdK-Leiterin Philippa Ebéné krempelte das Konzept um: Eigenproduktionen und Literatur-, Film- und Konzertreihen setzten auf Themen wie Flucht oder einen postmigrantischen gesellschaftlichen Dialog.
Wie geht’s weiter? Mit einem Ideenwettbewerb sucht die Senatsverwaltung für Kultur nach einem neuen Konzept. Der Migrationsrat kritisiert, der Wettbewerb sei „ohne Not und ohne Einbezug migrantischer Selbstorganisationen ausgerufen“ worden. (akw)
Die Rechte zur Verwendung von Namen und Logo hatte die Werkstatt der Kulturen für das Jahr 2015 an die Kulturprojekte GmbH auf vertraglicher Grundlage quasi ausgeliehen. Über entsprechende Lizenzgebühren sollte später verhandelt werden, erklärt WdK-Chefin Philippa Ebéné: „Um eine Vorstellung davon zu bekommen, über welche Summen wir dabei verhandeln sollten, haben wir damals das Gutachten bei Professor Sattler in Auftrag gegeben.“ Mit der Piranha Arts AG dagegen bestehe keinerlei Vertrag oder Vereinbarung über die Rechte.
Doch die Verhandlungen mit der Senatsverwaltung für Integration über Lizenzgebühren für den Karneval 2015 wurden nicht fortgeführt. Geld floss für das Ausleihen der Markenrechte an die Kulturprojekte GmbH also bisher nicht – und der damals geschlossene Vertrag sieht vor, dass entsprechende Forderungen nur bis Ende 2018 gestellt werden können.
Zwar erklärt die Senatsverwaltung für Kultur in ihrer Antwort auf eine kleine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Susanna Kahlefeld noch in diesem Januar ihr Interesse daran, „eine zufriedenstellende Lösung für die Nutzung der Wort-Bild-Marke des Karnevals der Kulturen zu finden“. Doch von neuen Verhandlungen ist keine Rede.
Die Werkstatt könnte also auf die Zahlung hoher Lizenzgebühren klagen – wäre ihr Trägerverein über ein solches Vorgehen einig. Doch auch innerhalb des Vereins, der aus zehn verschiedenen Mitgliedsverbänden, davon sechs Migrantenorganisationen, besteht, gibt es Zwist. Bertil Wewer etwa, der die „Freunde Neuköllns“ im WdK-Trägerverein vertritt, schreibt auf taz-Anfrage, er habe „den Umgangston speziell der Geschäftsführung der WdK mit dem Zuwendungsgeber in der Vergangenheit massiv kritisiert“.
Den gegenwärtigen Trägerverein halte er „mit einer Neuausrichtung der WdK für überfordert“, so Wewer, der Mitglied der Grünen-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung Neukölln ist. Er begrüßt die Neuausschreibung der Werkstatt der Kulturen.
Einigt sich der Trägerverein nicht und löst sich Ende 2018 mit dem Auslaufen der Trägerschaft tatsächlich auf, wäre der Senat aus dem Schneider: Ihm fielen die Markenrechte einschließlich allen anderen Vermögenswerten des Vereins wie etwa das Archiv des Karnevals der Kulturen dann automatisch zu. Teuer kaufen oder leihen müsste er sie nicht.
Die Senatsverwaltung für Kultur gibt sich auf taz-Anfragen dazu ahnungslos: Grundsätzlich regelten Satzungen von Vereinen, „wie mit etwaigen Werten verfahren wird, wenn der Verein sich auflöst. Daher müssten Sie sich mit dieser Frage an den Verein wenden“, heißt es aus ihrer Pressestelle.
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