heute in bremen: „Es entstand aus einer Notsituation“
Rebecka Schlecht, 25, studiert an der Uni Bremen Geschichte in der Öffentlichkeit, forscht zum Thema „Revolution in Bremen 1918“.
Interview Simone Schnase
taz: Frau Schlecht, inwiefern hat sich die revolutionäre Regierung in Bremen 1918 beim Frauenwahlrecht abwehrend gezeigt?
Rebecka Schlecht: Alfred Henke von der USPD hat gesagt: Wir werden das Frauenwahlrecht wahr machen. Am 19. November hat er das aber wieder zurückgenommen.
Warum?
Es bestand wohl die Befürchtung, Frauen würden konservativ wählen. Er meinte, sie müssten noch lernen beziehungsweise „erzogen“ werden. Man kann da schon von einer Art Erziehungsdiktatur sprechen.
Gab es keine Proteste?
Es gab eine aktive Frauenbewegung in Bremen, die schon vor der Räterepublik eine Petition an die Bürgerschaft gestellt hat. Aber als Henke sein Versprechen rückgängig gemacht hat, kam von links wenig Protest.
Das Wahlrecht kam trotzdem …
Ja. Aber erst in der Krise brachte der Rat der Volksbeauftragten das Frauenwahlrecht auf den Weg. Man kann sagen, es entstand aus einer Notsituation, aus der Befürchtung heraus, dass die Räterepublik scheitern könnte. Der Arbeiter- und Soldatenrat hat die Frauen nicht ermutigt, wirklich zu partizipieren. Es ging eher darum, bestehende Mächte zu festigen.
Vortrag und Diskussion „Frauenwahlrecht – die eigene Macht festigen“: 18 Uhr, Büro des Linken-Landesverbandes, Doventorstr. 4
Haben die Frauen trotzdem partizipiert?
In den Ausschüssen des Arbeiter- und Soldatenrats meines Wissens nach nicht. Frauen haben aber bei der Wahl zur Bremischen Nationalversammlung im März 1919 für die SPD, die USPD und die KPD je auf den zweiten Listenplätzen kandidiert.
Welche der Auseinandersetzungen gibt es noch heute?
Der zentrale Punkt ist: Der Arbeiter- und Soldatenrat ging erst progressiv mit dem Frauenwahlrecht um, aber als er an die Macht kam, ruderte er zurück. Vielleicht ist das ein Mechanismus, der heute auch oft gilt.
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