: Putzlumpen zu Maschinengewehren
ZEITGESCHICHTE Renée Lugschitz’ Buch über die Kämpferinnen im Spanischen Bürgerkrieg
Sie waren jung, und sie kamen aus der ganzen Welt. Wie die meisten der Freiwilligen im Spanischen Bürgerkrieg hat Mika Etchebéhère jüdische Vorfahren und ist Städterin. Und wie die meisten der Spanienkämpferinnen unterstützt die Zahnärztin die Republikaner zunächst aus dem Hintergrund: Sie wäscht, kocht und putzt.
Doch dann vollzieht sich der Wandel. Als ihr Mann Hipólito, „Hippo“, im August 1936 an der Front fällt, bringen die Soldaten Mika nicht nur das blutdurchtränkte Taschentuch des Hauptmanns, sondern auch seinen Mantel, seine Munition und seine Waffen. Die Argentinierin übernimmt das Kommando und wird La Capitana. Ab jetzt hören die Soldaten auf ihre neue Truppenführerin, ganz gleich ob es um die Verteidigung Madrids geht oder darum, wer die Betten macht.
Lebendige Emanzipationsgeschichte
Aber La Capitana ist eine Ausnahme. Viele der Frauen, deren Schicksal Renée Lugschitz in ihrer Publikation mit dem Titel „Spanienkämpferinnen“ beschreibt, arbeiten als Ärztinnen, Übersetzerinnen oder Kriegsreporterinnen. Lugschitz’ Forschungen vermitteln nicht nur einen Eindruck vom Spanischen Bürgerkrieg und der Euphorie, die für den Anfang des Krieges so typisch war. Die Autorin macht Emanzipationsgeschichte lebendig.
Meistens ist das Einzige, was von den kämpfenden Frauen im Allgemeinwissen angekommen ist, der Schlachtruf der Pasionaria, Dolores Ibárruri: „No pasarán“, sie werden nicht durchkommen. Lugschitz ergänzt dieses Wissen und zeigt, wie die Milicianas ihren Ruf als Heldinnen wieder verloren. Obwohl sie 1936 Hosen tragen und das Gewehr nicht nur schultern, sondern auch benutzen, schickt man die Frauen bald wieder in die hinteren Reihen. Einige Milicianas widersetzen sich den Rollenklischees und kämpfen weiter. „Ich bin nicht an die Front gekommen, um mit einem Putzlumpen in der Hand zu krepieren“, sagt eine Soldatin. Lugschitz konzentriert sich auf die ausländischen Frauen. Zwar lässt sich nicht mehr rekonstruieren, wie viele von den 40.000 Freiwilligen aus mehr als 50 Ländern weiblich waren. Die Autorin kann aber fast 200 der Kämpferinnen namentlich nennen.
Und sie porträtiert einige der Kämpferinnen. Einmal gelesen, vergisst man deren Lebensgeschichten nicht mehr so schnell. Etwa die von Gerta Taro. Gemeinsam mit ihrem Geliebten Robert Capa fotografiert sie den Krieg, verzaubert Soldaten wie Intellektuelle. Sie ließ sich auch bei den Aufenthalten an der Front nicht davon abhalten, Stöckelschuhe zu tragen. Die Abenteurerin fällt einem ins Schleudern geratenen Lastwagen zum Opfer. An ihrem 27. Geburtstag wird sie in Paris beigesetzt, Giacometti gestaltet den Grabstein.
Lugschitz legt die erste historische Darstellung der Kämpferinnen im Spanischen Bürgerkrieg vor. Wie erfreulich, dass sie dabei nicht nur so gründlich recherchiert hat, sondern auch glänzend erzählt. Lugschitz erzählt, wie idealistisch die Heldinnen des Bürgerkriegs waren. Für viele der Überlebenden gehörte der Kriegszustand, in dem sie selbstbestimmt handeln und improvisieren mussten, im Rückblick zur schönsten Zeit ihres Lebens. Denn später erwarteten sie die Konzentrationslager der Faschisten, aber auch oft die kommunistischen Gefängnisse. Oder beide.CATARINA VON WEDEMEYER
Renée Lugschitz: „Spanienkämpferinnen. Ausländische Frauen im sp. Bürgerkrieg 1936–1939“. Lit Verlag, Münster 2012, 213 Seiten, 19,90 Euro