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Interkulturalität macht Schule

Vorreiter zeigen, dass Waldorf Multikulti kann. Mit welchen Konzepten gearbeitet wird

Die Waldorfschule ist längst nicht mehr der Ort, an dem ausschließlich anthroposophisch eingestellte Eltern zusammenkommen, um ihren Kindern eine ebenso ausgerichtete Erziehung angedeihen zu lassen. Besonders bei Eltern aus der bildungsbürgerlichen Mittelschicht und wohlhabenderen Milieus ist das Interesse an Waldorfschulen groß, um ihren Kindern – und vielleicht auch sich selbst – das staatliche Schulsystem zu ersparen. Als Alternative steht die Waldorfschule hoch im Kurs. Seit ihrer Begründung vor fast 100 Jahren will die Waldorfpädagogik auch heute noch gemäß der anthroposophischen Auffassung das „Denken“, „Fühlen“ und „Wollen“ der Kinder fördern. Der Bund der freien Waldorfschulen erklärt dazu, dass die Schulen „gleichermaßen intellektuelle, krea­tive, künstlerische, praktische und so­ziale Fähigkeiten bei den Kindern und Jugendlichen entwickeln“ will. Die klassische Waldorfpädagogik stellt sich damit sehr offen auf. Warum dann die Gründung neuer Schulen mit Betonung auf Interkulturalität?

Nicht nur christlich

Traditionell sind Waldorfschulen in Deutschland christlich geprägt. Ob in der einzelnen Schule die katholische oder die evangelische Richtung Vorrang hat, fußt auf dem Mehrheitsprinzip. Religiöse Feste werden gefeiert und somit zugehörige Werte und Weltanschauungen vermittelt. Die interkulturelle Waldorfschule bricht mit diesem Element, um Religionsfreiheit für ein interkulturell tolerantes Miteinander zu schaffen. Dafür gibt es unterschiedliche Modelle. Die erste Schule ihrer Art, die 2003 gegründete Freie interkulturelle Waldorfschule Mannheim, lehrt beispielsweise allgemein menschliche Werte durch einen überkonfes­sio­nellen Lehrplan. Auch die Berliner interkulturelle Waldorfschule, die seit 2016 besteht, setzt auf eine neutrale Ethikerziehung ohne spezifischen Religionsunterricht. In Hamburg-Wilhelmsburg plant eine Gründungsinitiative ein Konzept für interreligiöse Erziehung mit der gesamten Klasse. Schon an diesen Beispielen wird deutlich, wie sehr der Umgang mit Religion an den Schulen – den bestehenden und den in Gründung befindlichen – variiert. Allen gemeinsam ist jedoch, dass die Vermittlung interkultureller Kompetenzen, die auf Stärke durch Vielfalt setzt, im Fokus steht. Deshalb ergänzen Fächer wie Kulturunterricht, Mehrsprachigkeit, Religionsfreiheit und Projektunterricht die Lehrpläne.

In Sachen Schulgeld halten es die interkulturellen Waldorfschulen wie alle anderen. Sie beruhen auf dem Solidarprinzip: Entweder wird die Höhe des Schulgelds am Einkommen der Familie bemessen – einkommensschwache Haushalte bezahlen dann so viel Schulgeld, wie sie können, einkommensstarke entsprechend mehr. Oder es findet eine Schulgeldstaffelung statt. So kann auch im interkulturellen Schulsystem ein Mix aus Kindern verschiedener sozialer und kultureller Milieus entstehen. Die interkulturelle Waldorfschule – in Zeiten großer sozialer Ungleichheit und kultureller Entfremdung eine Chance, kommende Generationen auf Multikulturalität und Pluralismus vorzubereiten. Sophie Schrader

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