das portrait
: May-Britt Cansiermacht Fußball-Männern Beine

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Manchmal lässt sich ein Unterschied in Zentimetern bemessen. Bis zum 10. Oktober 2017 lief es vor Partien der 3. Herren des Wandsbeker TSV Concordia in der Hamburger Fußball-Kreisklasse B3 wie folgt ab: Die Spieler zogen sich in der Kabine um, kurz vor dem Anpfiff ging die Tür auf und der Trainer trat ein, um sein Team zu instruieren. Seit dem 11. Oktober 2017 hat sich das verändert. An diesem Tag übernahm May-Britt Cansier die Mannschaft, in der Männer von 18 bis 38 Jahren spielen.

„Vor einer Besprechung in der Kabine klopfe ich natürlich an die Tür und öffne sie nur für einen Spalt“, sagt Hamburgs erste Männer-Trainerin. Durch die zentimetergroße Öffnung fragt sie, ob sie eintreten dürfe. „Wenn der eine oder andere noch in der Unterbüx in der Kabine herumläuft, ist das für mich kein Thema. Ich bin in Dänemark aufgewachsen, da gibt es einen entspannten Umgang mit Nacktheit“, sagt die 41-Jährige, die als Reinigungskraft arbeitet.

Cansier hat mit vier Jahren bei Concordia mit dem Fußballspielen angefangen, später ging es zum TSV Wandsbek-Jenfeld 81. Mit 28 Jahren übernahm sie bei Concordia ein B-Jugend-Mädchenteam. Nach anderthalb Jahren hörte sie auf. „Das war schwierig. Viele waren zickig, wussten alles besser – das muss ich nicht wieder haben“, sagt Cansier. Dann wurde sie gefragt, ob sie bei den 3. Herren das Torwarttraining leiten könne. Als der Trainer Anfang Oktober ging, fragten die Spieler sie, ob sie das Team betreuen möchte. Der Erfolg stellte sich flugs ein. „Wir haben seitdem von sieben Punktspielen fünf gewonnen, zwei endeten mit einem Remis“, sagt sie. Das Team steht auf dem fünften Tabellenplatz. Der Aufstieg ist drin.

In ihrer Ansprache könne sie auch mal deutlich werden, verrät sie. „Aber ich mache das nie mit dem Brecheisen, ich schreie niemanden an“, sagt Cansier. Von ihren Jungs werde sie vollkommen akzeptiert. Es gab bei einem Punktspiel aber auch schon ein unschönes Erlebnis. „Wir haben gegen ein Team gespielt, in dem es viele Flüchtlinge gibt. Die konnten es wohl nicht so verknusen, dass eine Frau das Sagen hatte.“ „Ich wurde auf das Übelste frauenfeindlich beleidigt“, sagt Cansier. Aber sie lässt sich nicht von ihrem Weg abbringen: „Mir macht die Aufgabe einfach sehr viel Spaß – und meine Jungs hören auf mich.“ Christian Görtzen