Der schlichte Grund, aus dem wir alle hier sind

Das Stück „Eltern“ handelt trotz des Titels hauptsächlich von Kindern – und ihrer Sicht auf die Welt ihrer Erzeuger

Vor kommen Eltern schon, nur sehen sie irgendwie … anders aus Foto: Jörg Landsberg/Theater Bremen

Von Teresa Wolny

Die Stimme kommt aus dem Telefon, einem alten mit Wählscheibe: „Geborgenheit ist, wenn man abends im Bett liegt und aus der Küche so leise Stimmen hört.“ Oder: „Meine Mutter ist eigentlich nie zu Hause, weil sie jetzt irgendwie so weitergebildet wird.“ Es sind Stimmen und O-Töne von Kindern, die Regisseurin Hannah Biedermann für ihr Stück „Eltern – ein Forschungsunterfangen“ an verschiedenen Bremer Schulen gesammelt hat. Mit ihr sind auch die DarstellerInnen Judith Goldberg, Julian Anatol Schneider und Christoph Vetter an die Schulen gegangen, um mit den Kindern möglichst unverblümt über diejenigen zu sprechen, vor denen man fast nur an diesem Ort sicher ist: Eltern.

Die drei DarstellerInnen, die im Stück ihre echten Vornamen tragen, gehen zwar nicht mehr wirklich als Jugendliche durch, gehören aber eben auch noch nicht so richtig zur Generation Eltern. Sie schaffen es, einen Draht zu den Kindern aufzubauen, stehen sie klar auf deren Seite, während mit Hilfe diverser von Mascha Mihoa Bischoff erdachten Kopfbedeckungen die Elternseite simuliert wird. Auch die knallbunten Hipster-Kostüme scheinen einen jugendlichen Nerv zu treffen. Wie sonst ließe es sich erklären, dass Kinder im besten vorpubertären Alles-ist-peinlich-Alter überhaupt bereit sind, auf eine Bühne zu gehen, um etwa die Frage zu beantworten, was man tut, wenn der Nachwuchs sich wie ein Haufen unzähmbarer Affen benimmt, wie es Julian und Christoph auf der Bühne vormachen.

Das Stück lebt viel von der Interaktion mit dem jungen Publikum. Die Nähe wird auch dadurch hergestellt, dass Goldberg, Schneider und Vetter selbst viel von sich und ihren eigenen Erfahrungen in das Stück einfließen lassen. Die Zukunft, in der man vielleicht mal die Seite wechselt und selbst zum Elternteil wird, ist auch Thema: „Ich habe Angst, dass ich meinem Kind peinlich bin, ich habe Angst vor dem Moment, in dem mein Sohn mir sagt, dass ich zu viel arbeite“.

Als es um die Angst geht, Papa zu verlieren, hat das Publikum zu schlucken. „Irgendwann habe ich selber den Kontakt abgebrochen, nachdem er alle Versuche, die ich ihm gegeben habe, vergeigt hat.“ Judith erzählt von einem der Interviews für die Produktion, in dem ein Junge, dessen Vater gestorben ist, anfing zu weinen. Ist man besser vorbereitet, wenn man kein Kind mehr ist? „Man ist nie bereit dafür, glaube ich“, sagt Christoph.

Als es schließlich um Eltern geht, die nicht mehr da sind, hat das Publikum dann doch heftig zu schlucken

Die Ergebnisse werden in sehr strukturierter, betont verschulter Form per Old-school-Overheadprojektor präsentiert. Am Anfang steht die berechtigte Feststellung, „die man sich echt mal klar machen muss“, dass sich nämlich niemand ausgesucht hat, hier zu sein, oder besser gesagt, überhaupt geboren worden zu sein. Und wenn man dann da ist, ist man erst mal jahrelang 100-prozentig von seinen Eltern abhängig, allein schon, was das Essen angeht.

Die subjektive Feststellung von Ungerechtigkeiten bleibt jedoch auf die Kinderseite begrenzt. Mit den beiden letzten Episoden „elternlos“ und „Elternstolz“ schließt das Stück mit einem positiven Resümee ab, weil die meisten dann ja doch sehr froh über ihre Eltern sind. Es wäre mindestens spannend gewesen, die Elternseite mit ins Stück zu holen. Der Stoff hätte jedenfalls das Potenzial, eine mehrschichtige Familiengeschichte zu erzählen.

Andererseits bekommen die Kinder auf diese Weise ausnahmsweise einmal keine Widerworte „von oben“, sondern Raum, sich untereinander mit den guten und den schlechten Seiten ihrer Eltern zu beschäftigen. Die oft unterschätzte Bauchgefühl-Logik der Kinder würde gegenüber den rationalen Erwachsenen-Argumenten vermutlich ohnehin immer den Kürzeren ziehen.

Sa, 4. 3., 16 Uhr, Theater Bremen; weitere Aufführungen: 5./6. 3., 10.30 Uhr