Opposition in der Ukraine: Marsch für Michail Saakaschwili

Rund 10.000 Anhänger des Ex-Gouverneurs von Odessa demonstrieren in Kiew für eine neue Regierung. Sie gedenken auch des Maidan 2014.

Anhänger von Michael Saakaschwili bei einer Demonstration am Sonntag in Kiew

Anhänger von Michael Saakaschwili bei der Demonstration am Sonntag in Kiew Foto: reuters

KIEW taz | Gut 10.000 Anhänger des am 12. Februar von Kiew nach Warschau abgeschobenen ehemaligen georgischen Präsidenten und früheren Gouverneurs der südukrainischen Hafenstadt Odessa, Michael Saakashvili sind am Sonntag in Kiew und anderen Städten des Landes auf die Straße gegangen. Sie forderten bei einem „Marsch für die Zukunft“ den Rücktritt von Präsident Petro Poroschenko, Parlamentswahlen und eine neue Regierung.

Die Demonstration vom Schewtschenko-Park zum Michael-Kloster verlief friedlich, die Polizei war kaum zu sehen, lediglich am Rande kam es kurzzeitig zu kleinen Rangeleien mit den Ordnungskräften.

Als Datum der Kundgebung hatten die Veranstalter mit dem 18. Februar einen besonders sensiblen Tag gewählt, gilt doch dieses Datum als ein zentraler Gedenktag der Erinnerung an die Maidan-Revolte von Anfang 2014. Über 80 Menschen waren zwischen dem 18. und dem 20. Februar 2014 bei Demonstrationen gegen den damaligen Präsidenten Wiktor Janukowitsch ums Leben gekommen.

Und so sparten die zum großen Teil älteren Teilnehmer und die Veranstalter auch nicht mit Vergleichen zwischen Präsident Poroschenko und seinem verhassten Amtsvorgänger Viktor Janukowitsch. „Poroschenko ist der neue Janukowitsch“ lautete der Text eines Banners auf der Bühne. „Poroschenko ist nicht unser Präsident“ stand auf einem anderen Plakat. Dieser, so der Aufruf, habe nicht nur die Ukraine, sondern auch den Maidan verraten.

U-Bahn gesperrt

Plötzlich waren wegen einer angeblichen Bombendrohung die sechs zentralen U-Bahn-Stationen Kiews gesperrt. „Ich fühle mich sehr an die Zeit von Janukowitsch erinnert“, bemerkte ein älterer Teilnehmer mit einem kleinen, auf Karton gekritzelten Text „ich bin für Saakaschwili“. Auch bei den Maidan-Demonstrationen 2014 sei immer wieder vor Demonstrationen die U-Bahn im Zentrum plötzlich „aus technischen Gründen“ nicht mehr zugänglich gewesen.

„Ich denke, man sollte diese ganze korrupte Clique auf dem Maidan aufhängen“ empörte sich ein älterer Mann in der Standseilbahn, die direkt zum Michael-Kloster führt. Er kam wegen einer geschlossenen U-Bahn Station ebenfalls verspätet zur Demonstration. „Das ist doch nicht Ihr Ernst“, widersprach ihm ein anderer. „Wir haben Poroschenko doch selbst gewählt.“

Auch in zahlreichen anderen ukrainischen Städten waren Anhänger von Michael Saakashvili nach Angaben des Abgeordneten und Saakaschwili-Vertrauten Jurij Derevjanko auf die Straße gegangen.

Zehn Veranstaltungen, so das ukrainische Innenministerium, fanden am Sonntag anläßlich des Maidan-Gedenktages statt. Bereits am Morgen hatten Angehörige von auf dem Maidan erschossenen Demonstranten auf der „Straße der himmlischen Hundert“ der Getöteten in einer Trauerzeremonie gedacht.

Mindestlohn und Mindestrente

Mehrere hundert Angehörige von Soldaten, die in der Nähe des Ortes Debalzewo gefallen waren, hatten sich vor der Sofienkathedrale versammelt. Knapp 1000 Mitglieder der Sozialdemokraten und Sozialisten hatten in einer Kundgebung auf dem Europaplatz höhere Steuern für die Reichen, einen Mindestlohn von 300 Euro und eine Mindestrente von 150 Euro gefordert.

Am frühen Nachmittag versammelten sich 50 Rechtsradikale vor dem russischen Kultur- und Wissenschaftszentrum in der Borisoglibska-Straße, bewarfen dieses mit Steinen und besprühten die Hauswand mit dem Satz „Russland soll sterben“.

„Mir ging das laute Klirren der Fensterscheiben durch Mark und Bein“ berichtete eine deutsche Touristin. „Genauso wie die Sonntagsspaziergänger, die amüsiert diesem Event beiwohnten und die über hundert Polizisten, die tatenlos daneben standen“.

Auch wenn die Demonstration von den Anhängern Saakashvilis bei weitem nicht die angekündigte Teilnehmerzahl von 50.000 erreichte, zeigte sie doch, dass der im niederländischen Exil lebende Oppositionspolitiker derzeit am meisten Menschen in der Ukraine mobilisieren kann.

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