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„Verkauf der Seele“

Mit seinen radikalen Plänen zur Reform des Davis Cups stößt David Haggerty, der Chef des Tennisweltverbands, auf Widerstand. Seine Abwahl wird gefordert

Von Jörg Allmeroth

David Haggerty ist ein Mann, der gern heiter in die Welt blickt. Der Präsident des Tennis-Weltverbands ITF lächelt immer, selbst dann, wenn es wehtut. Er hat auch gelächelt, als ihm seine Mitgliedsnationen bei der Vollversammlung des letzten Jahres in Ho-Chi-Minh-Stadt eine bittere Niederlage beibrachten. Damals wollte Haggerty eine gemeinsame Finalwoche für den Davis Cup und den Fed Cup an einem neutralen Ort durchdrücken, aber die notwendigen Stimmen bekam der Amerikaner nicht. Später scheiterte der Tennisboss auch noch daran, die Matches im Davis Cup auf bloß noch zwei Gewinnsätze zu verkürzen – jedes Mal hatte das Misstrauensvotum gegen Haggerty auch mit seiner entschiedenen Hinterzimmerdiplomatie zu tun, mit Geheimniskrämerei, mit brüskierten Verbänden, die er nie in seinen Entscheidungsprozess mit einbezog.

Nun aber hat Haggerty, ein früher nur mäßig erfolgreicher Manager der Tennis-Ausrüsterindustrie, seiner Reformwut die Krone aufgesetzt – mit einer sogenannten Davis-Cup-Reform, die zu nichts anderem führt, als den Davis Cup seines Markenkerns zu berauben. Den bisherigen Modus von Heim- oder Auswärtsspielen – und damit aber auch das prickelnde Fanerlebnis – will der Weltverband mit einer Turnierwoche im November ersetzen, vermutlich zunächst irgendwo in Asien, mit Hilfe von massiven Staatssubventionen dort. 18 Nationen sollen am World Cup of Tennis teilnehmen, darunter auch die 16 Nationen aus der Weltgruppe. Zunächst soll im Gruppenformat gespielt werden, dann im Knockout-Format. Partner der ITF soll eine Holding namens Kosmos werden, deren Gründer und Frontmann der Fußball-Profi Gerard Pique ist – nicht weniger als 3 Milliarden Dollar verspricht dieses Konsortium den Tennisfunktionären für die nächsten 25 Jahre des Deals. Ein „Festival des Tennis und des Entertainments“ werde der World Cup, sagte Haggerty.

Traditionsturnier

Geschichte: Die Idee, einen Nationenwettbewerb, den Davis Cup, ins Leben zu rufen, geht auf vier Mitglieder des Tennisteams an der Harvard Universität in den USA zurück. Einer der vier Spieler hieß Dwight Filley Davis. Er entwarf das Wettbewerbskonzept. Die erste Partie wurde zwischen den USA und Großbritannien, dem Mutterland des Tennis, im Jahr 1900 in Boston ausgetragen.

Modus: Seit 1981 wird der Davis-Cup-Titel in der Weltgruppe der 16 besten Mannschaften im K.-o.-System ausgespielt. Jede Begegnung wird an drei Tagen in vier Einzeln und einem Doppel ausgetragen. Das Heimrecht zwischen zwei Nationen wechselt.

Rekordsieger: Mit 32 Titeln sind die USA vor Australien (28) am erfolgreichsten. Deutschland gewann das Turnier dreimal.

Es wurden aber zuvor weder der Spielerrat der Profigewerkschaft ATP noch wichtige Verbandsnationen konsultiert. Kein Wunder, dass am Dienstag ein europäischer Verbandschef entrüstet befand, die ITF habe die „Seele des Davis Cup still und heimlich verkauft“. Deutschlands Tennisverband DTB opponiert ebenfalls. „Hoffentlich finden sich genügend Nationen, die dafür sorgen, dass der Verbandspräsident nach der nächsten Wahl nicht mehr David Haggerty heißt“, erklärte DTB-Vize Dirk Hordorff. Mit seinen Plänen habe Haggerty ein noch „größeres Desaster als je zuvor“ geschaffen, so Hordorff.

Natürlich hat der Davis Cup in den letzten Jahren an Relevanz und Rückhalt verloren, viele Topspieler blieben ihm fern oder spielten nur noch sporadisch. Der Terminkalender im Tennis ist übervoll, zu strapaziös in einer Zeit, in der die Matches immer intensiver und herausfordernder werden. Es gab indes weithin unterstützte Pläne, den Wettbewerb zu verschlanken, ihn nur alle zwei Jahre zu veranstalten. Oder über zwei Jahre zu veranstalten, mit dann weniger Terminen pro Saison. Haggertys Pläne hätten nun aber gar nichts mit dem Davis Cup zu tun, kritisiert einer wie der frühere Weltranglisten-Erste Jewgeni Kafelnikow: „Damit pfeift man auf die Tradition. Das ist das Ende des Davis Cup.“

Eine große Frage bleibt: Kann dieser World Cup wirklich eine Attraktion für viele notorisch überlastete Spieler sein – mit einer Terminidee am Ende der Saison? Bisher hört die Spielzeit für die meisten Profis Ende Oktober auf, nun müssten die Ferien noch drei Wochen länger warten. „Bei den meisten wird sich die Freude in engen Grenzen halten“, sagt ein ATP-Profi beim Turnier in Dubai, unter dem Deckmantel der Anonymität, „Mitte November in Asien, da kann man nur den Kopf schütteln. Es wird, Geld hin oder her, viele Absagen geben.“

Für die Topstars käme die World-Cup-Woche sogar direkt nach der ATP-WM. Pikant genug, dass die Kosmos-Holding um Pique zuvor vergeblich mit der ATP um einen neuen World Team Cup nach Düsseldorfer Muster verhandelte – ehe man das Projekt nun als Davis- Cup-Radikalerneuerung verkaufte. „Das alles hat keinerlei Substanz. Und keiner weiß so genau, wo das Geld letztlich herkommen soll“, sagt Hordorff, der DTB-Mann.

Großbritanniens frühere Chefin des nationalen Frauentennis-Teams, Judy Murray, wies in einem ironischen Tweet auf eine weitere Ungereimtheit hin. „Ich warte auf einen Plan für die Transformation des Fed Cup“, schrieb die Mutter von Andy Murray, offenbar entsetzt, dass der Weltverband sich rein auf einen Plan für den Männertennis-Wettbewerb konzentrierte.

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