heute in hamburg: „Ich hoffe, dass Herr Scholz sein Herz öffnet“
Jörg Petersen, 47, ist Verkäufer des Straßen-Magazins Hinz&Kunzt und setzt sich für Obdachlose ein.
Interview Philipp Schulte
taz: Herr Petersen, Sie geben heute eine Petition mit über 87.000 Unterschriften im Rathaus ab, nach der Notunterkünfte für Obdachlose auch tagsüber öffnen sollen. Sind Sie nervös?
Jörg Petersen: Ich bin wahnsinnig aufgeregt. Und dankbar, dass so viele Menschen unterschrieben haben. Ich hoffe, dass Bürgermeister Scholz sein Herz öffnet und der Petition stattgibt.
Warum ist das so wichtig?
Auch tagsüber können Menschen erfrieren. Ich habe es selbst erlebt, die Kälte und Nässe machen einen kaputt. Wenn die Notunterkünfte dauerhaft geöffnet wären, können die Menschen besser eine Wohnung suchen und zu sich finden. Es wäre der erste Schritt zur Selbsthilfe. Sie könnten auch an sich arbeiten.
Waren Sie schon mal im Rathaus?
Ich habe da mal eine Führung mitgemacht. Das ist aber schon lange her und ich kann mich nicht mehr erinnern. Ich hoffe, dass ich ein paar Worte mit den Verantwortlichen wechseln kann. Ich bin gespannt auf die Reaktion.
Wären Sie mit einem Kompromiss zufrieden? Sagen wir, die Obdachlosen müssten nur von elf bis 14 Uhr raus?
Mit so einem Angebot wären wir bestimmt zufrieden. Aber unser Ziel ist es, dass die Unterkunft den ganzen Tag offen bleibt. Der Senat hat Angst, dass die Leute dann gar nicht mehr raus gehen. Aber das wird sicher nicht passieren. Für sie ist es wichtig, rauszugehen. Sie knüpfen tagsüber Kontakte. Wir bieten der Stadt auch an, dass die Obdachlosen draußen freiwillig Plätze säubern.
Was für Menschen haben die Petition unterschrieben?
Ich denke, dass Leute aus allen Gesellschaftsschichten mitgemacht haben. Ich weiß, dass auch die Tagesschau-Sprecherin Judith Rakers unterschrieben hat. Ich bin stolz darauf, dass wir so viele Unterschriften zusammen bekommen haben. Zusammen sind wir stark. Ich möchte, dass die Menschen besser miteinander umgehen.
Sie waren dreieinhalb Jahre obdachlos und leben nun seit vier Jahren in einer Wohnung. Wie haben Sie das geschafft?
Bei mir war es ein Glücksfall. Ich habe das Straßenmagazin Hinz&Kunzt verkauft und dabei eine Frau kennengelernt, die mich bei sich hat wohnen lassen. Sie hat mich beobachtet, wie ich mit den Leuten umgehe. Sie hatte eine Wohnung und ich habe ihr im Garten geholfen.
Übergabe der Petition durch Hinz&Kunzt, das Winternotprogramm auch tagsüber zu öffnen, 13:30 Uhr, Rathaus
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