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Immer neue Opfer

Bei dem Einmarsch türkischer Truppen in die syrisch-kurdische Provinz Afrin werden sowohl Zivilisten als auch Soldaten getötet. Zehntausende sind auf der Flucht

Aus Athen Wolf Wittenfeld

Der angeblich für Zivilisten so schonend geführte Krieg wird immer blutiger: Gut zwei Wochen nach dem Beginn des Einmarsches der türkischen Armee in die syrisch-kurdische Provinz Afrin steigt die Zahl der Opfer stark an. Die Armee steht nach offiziellen türkischen Angaben gemeinsam mit ihren Verbündeten der Freien Syrischen Armee (FSA) jetzt am Rand der Stadt Afrin. Dort leben mehrere Hunderttausend Menschen.

Filmaufnahmen aus kurdischen Quellen zeigen von türkischen Kampfflugzeugen verursachte verheerende Zerstörungen. Sie bombardieren immer häufiger jetzt auch das Zentrum von Afrin. Nach Angaben des Roten Halbmonds sind dabei rund 70 Zivilisten getötet worden. Die Zahl der Opfer dürfte sich in den nächsten Tagen noch einmal beträchtlich erhöhen, wenn der Häuserkampf in Afrin beginnt. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat am Samstag bei einer Kundgebung angekündigt, dass diese Phase des Kriegs unmittelbar bevorsteht.

Nach Angaben des türkischen Generalstabs sind seit Beginn des Einmarsches am 20. Januar rund 900 kurdische YPG-Kämpfer getötet worden. Aber es sind auch reguläre türkische Soldaten ums Leben gekommen – allein am Samstag wurde sieben von ihnen getötet.

Dabei hat die Armee bislang in gefährlichen Situationen immer zuerst FSA-Kämpfer vorgeschickt, von denen entsprechend auch eine wesentlich höhere Anzahl gefallen ist.

In dem türkischen Grenzgebiet der Stadt Kilis und der Provinz Hatay fallen dem Krieg auch immer mehr türkische Zivilisten zum Opfer. Mehrere starben durch Raketen, die von Afrin aus abgefeuert worden waren. Am heutigen Montag enden die Winterschulferien. Die Familien in Kilis und Hatay haben Angst davor, ihre Kinder dann wieder in die Schule zu schicken.

Die Provinz Afrin, die wie ein Zipfel in die Türkei hineinragt, gehörte bislang zu den ganz wenigen sicheren Gebieten in Syrien. Jetzt gehen auch hier die Menschen vor der anrückenden türkischen Armee auf die Flucht in Richtung Süden und Osten – in der Hoffnung, die anderen kurdischen Kantone östlich des Euphrats zu erreichen. Doch den Abschnitt zwischen den kurdischen Kantonen kontrollieren Truppen Assads. Es ist bislang unklar, ob sie die Flüchtlinge durchlassen werden.

In der benachbarten Provinz Idlib flüchten die Leute dagegen von Süden nach Norden in Richtung türkischer Grenze. Von Süden her marschieren Assad-Truppen mit russischer Unterstützung in die letzte noch von Dschihadisten und gemäßigten Rebellen kontrollierte syrische Provinz ein.

Am vergangenen Samstag wurde dabei, vermutlich von Dschihadisten der Al-Nusra-Front, erstmals ein russischer Kampfjet abgeschossen. Der Pilot konnte sich zunächst mit dem Fallschirm retten, wurde dann aber am Boden getötet.

Demos gegen türkische Offensive

Protest In mehreren niedersächsischen Städten haben Kurden und ihre Unterstützer am Wochenende erneut gegen die Angriffe der türkischen Armee auf die kurdisch kontrollierte Region Afrin im Norden Syriens protestiert. In Hannover gingen am Sonnabend nach Polizeiangaben rund 1.500 Menschen auf die Straße, in Göttingen versammelten sich mehr als 500 Demonstranten.

Jessiden In Göttingen hatte auch das örtliche Zentrum der Jesiden zu der Protestaktion aufgerufen. Dessen Sprecher Azad Onal sagte, nur dank der YPG habe der „Islamische Staat“ in Syrien und Irak weitgehend militärisch besiegt werden können. (epd, dpa)

Gut 200.000 Menschen flüchten vor Assads Truppen in Richtung Türkei. Die US-amerikanische Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) hat am Sonntag einen Bericht veröffentlicht, dem zufolge türkische Truppen in diesem Grenzabschnitt westlich von Afrin syrische Flüchtlinge gewaltsam daran hindern, über die Grenze zu gelangen.

Die Türkei will ja laut offiziellen Verlautbarungen – unter anderem mit dem Einmarsch ihrer Truppen in Afrin – erreichen, dass ein Teil der drei Millionen syrische Flüchtlinge wieder auf syrisches Gebiet zurückkehren kann.

Proteste gegen den Krieg werden in der Türkei weiterhin massiv unterdrückt. Das betrifft jedoch nicht nur die Kurden in der Türkei. Vor wenigen Tagen wurde der gesamte elfköpfige Vorstand des türkischen Ärztebundes vorläufig festgenommen, nachdem er öffentlich darauf hingewiesen hatte, dass Krieg schlecht für die Gesundheit sei.

Selbst Leute, die den Aufruf auf Facebook lediglich weitergeleitet hatten, wurden in Haft genommen. Insgesamt sind schon mehr als 300 Personen wegen ihrer kritischen Anmerkungen über den Einmarsch in Afrin festgenommen oder verhaftet worden.

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