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Mitte mahnt Senat

Der Bezirk will Geflüchtete mit Hausverbot schon unterbringen, sagt Mitte-Stadtrat. Aber die versprochene Hilfe vom Senat fehle

„Freiwillig obdachlos“? Der Flüchtlingsrat kritisiert das Vorgehen im Bezirk Mitte Foto: Karsten Thielker

Von Susanne Memarnia

Der Sozialstadtrat von Mitte, Ephraim Gothe (SPD), wehrt sich gegen den Vorwurf, der Bezirk verhalte sich rechtswidrig gegenüber obdachlos gewordenen Flüchtlingen. Der Flüchtlingsrat hatte vorige Woche erklärt, Mitte betrachte Geflüchtete, die in ihrem Heim Hausverbot bekommen haben, als „freiwillig obdachlos“ und verweigere ihnen mit diesem Argument die erneute Unterbringung. Dies, so Gothe, sei in der Tat gängige Praxis bis März 2017 gewesen – seither aber nicht mehr.

Damals hatte das Verwaltungsgericht Berlin entschieden, grundsätzlich gebe es auch bei mehrfachem Hausverbot die Pflicht der Bezirke zur Unterbringung. Auf diese Linie seien dann alle Bezirke eingeschwenkt, seither werde jeder Einzelfall geprüft, so der Sozialstadtrat. „Das gilt auch für Personen, die bewusst fahrlässig oder vorsätzlich ein Hausverbot hervorgerufen haben. Nach Auffassung des Landes und des Bezirks Mitte ist in diesen Fällen zu prüfen, ob eine erneute Unterbringung erforderlich ist.“ Angesichts sehr knapper Plätze werde bei Hausverboten sowie bei Anfragen, die aus Sicht des Bezirks nicht gerechtfertigt sind, allerdings „priorisiert“, fährt er fort. Sprich: In Einzelfällen wird weiterhin nicht untergebracht.

Martina Mauer vom Flüchtlingsrat stellt diese Antwort nicht zufrieden. Es gebe aktuelle Fälle, die zeigten, dass der Bezirk weiterhin Geflüchtete mit dem Argument der „freiwilligen Obdachlosigkeit“ abweist. „Auch gibt es viele Beschwerden von Geflüchteten über den ruppigen Umgangston, der im Bezirks­amt Mitte herrscht“, so Mauer. Sie sehe aber auch, dass die Bezirke mit dem Problem überfordert seien, weil es zu wenige gute Unterkünfte gibt. „Der Senat darf das nicht ignorieren.“

Viel zu wenige Unterkünfte

Rechtlich ist es so, dass das Land Berlin – genauer das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) – für die Unterbringung von Geflüchteten verantwortlich ist, solange sie noch im Asylverfahren sind. Danach werden die Bezirke zuständig, die ja nach dem Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz generell verpflichtet sind, Wohnungslose unterzubringen. Weil die Bezirke aber viel zu wenige Unterkünfte haben, bleibt ein Großteil der „statusgewechselten“ Geflüchteten in den Heimen des LAF wohnen. Wenn sie dort rausfliegen, muss der zuständige Bezirk ran.

Aktuell ist Mitte laut Gothe für 6.452 statusgewandelte Flüchtlinge verantwortlich, davon leben 77 Prozent in LAF-Heimen, 22 Prozent in Bezirks-„Unterkünften“ – fast alle Hostel-Zimmer. Um die Situation in den Bezirken zu verbessern, so Gothe, habe das LAF im vorigen Jahr versprochen, ein „Kontingent“ an Plätzen zur Verfügung zu stellen für „Statusgewechselte“ mit Hausverbot. Dies sei jedoch bis heute nicht passiert, kritisiert er.

Die Sprecherin der für das LAF zuständigen Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) sagt dazu, Hausverbotsbetroffene könnten „temporär“ in LAF-Heimen unterkommen, damit die Bezirke mehr Zeit haben, eine neue Unterkunft für sie zu finden. Und: „An einer grundsätzlichen Lösung wird weiter gearbeitet.“

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