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Netzwerk und Gier

Sind Meinungskartelle am Ende wichtiger als Theorien, und gibt es so etwas wie einen Anfang im Schneeballsystem?

Von Ulrike Herrmann

Viele Ökonomen glauben, sie würden eine Naturwissenschaft betreiben – doch tatsächlich geht es in der Wirtschaft sehr menschlich zu. Wichtig sind etwa Netzwerke oder blinde Gier, wie zwei sehr unterschiedliche Neuerscheinungen zeigen.

Die drei Linzer Ökonomen Walter Otto Ötsch, Stephan Pühringer und Katrin Hirte zeichnen nach, wie es dazu kam, dass die meisten deutschen Volkswirtschaftsprofessoren dem neo­liberalen „Marktfundamentalismus“ anhängen. Ihre These: Nicht die besten Theorien setzten sich durch, sondern wichtig waren Meinungskartelle.

Die drei Linzer haben daher eine Datenbank aufgebaut, die alle 782 Volkswirtschaftsprofessoren verzeichnet, die zwischen 1954 und 1994 an einer deutschen Universität lehrten.

So entstanden sehr illustrative Grafiken, wer mit wem in Kontakt stand: durch Lehrstühle, Institute, Stiftungen, Arbeitsgemeinschaften, Vereine und Expertengremien. Eindrucksvoll ist zu erkennen, wie eng und verzweigt die Netzwerke der deutschen Neoliberalen sind.

Arbeitslos eine Bank gründen

Ins pralle Leben hat sich auch der Münchner Autor Julian Nebel begeben: Er beschreibt den „größten Bankbetrug aller Zeiten“, der sich ab 1869 in Bayern zugetragen hat.

Die arbeitslose Schauspielerin Adele Spit­zeder gründete damals eine „Privatbank“, um ihren luxuriösen Lebensstil zu finanzieren. Der Trick: Sie zahlte zehn Prozent Zinsen pro Monat, was unerhört hoch war. Die Sparer kamen in Scharen – und aus diesen neuen Einlagen finanzierte sie dann die Zinsen.

Spitzeder sprach gezielt die „kleinen Leute“ an, Arbeiter, Handwerker und Dienstboten, die glaubten, auch sie könnten von der stürmischen Gründerzeit im Kaiserreich profitieren. Mehr als 30.000 Menschen verloren ihr Geld, als das Schneeballsystem 1872 zusammenbrach.

Diese Masche ist noch immer aktuell, wie der spektakuläre Fall Bernhard Madoff zeigt. Der New Yorker wanderte 2008 ins Gefängnis, weil sein Hedgefonds gar nicht investiert hatte – sondern wie Spitzeder die Dividenden aus den Einlagen der Neuzugänge zahlte. Die Münchnerin ist die Ahnherrin aller Schneeballsysteme.

Walter Otto Ötsch/Stephan Pühringer/Katrin Hirte: „Netzwerke des Marktes. Ordoliberalismus als Politische Ökonomie“. Springer Verlag, Wien 2018, 328 Seiten, 49,99 Euro

Julian Nebel: „Adele Spitzeder. Der größte Bankenbetrug aller Zeiten“. Finanzbuchverlag, München 2018, 176 Seiten, 17,99 Euro

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