press-schlag : Die Ahnungendes Herrn Ahn
Wer darf und wer nicht? Die Olympiateilnahme russischer Athleten entwickelt sich einmal mehr zum Politikum
Thomas Bach hat jetzt Post von Wiktor Ahn bekommen. „Während meiner gesamten Shorttrack-Karriere hat es nie einen Grund gegeben, an meiner Ehrlichkeit und Integrität zu zweifeln“, schreibt der in Südkorea geborene Olympiasieger aus Russland in einem offenen Brief an den Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). „Es ist empörend, dass es keinen konkreten Grund gibt, der meinen Ausschluss von den Olympischen Spielen erklärt, und außerdem sehen mich die Leute jetzt als einen Athleten an, der gedopt hat.“ Sein Ausschluss von den Spielen sei „ein Symbol des Misstrauens“.
Wiktor Ahn wird wohl ebenso wenig in Pyeongchang an den Start gehen wie der Biathlet Anton Schipulin, Staffelsieger von Sotschi, oder der Skilangläufer Sergei Ustjugow. Sie sagen, sie seien nie ins Dopingsystem ihres Landes verstrickt gewesen. Es fehlten Beweise. Das Verfahren des IOC sei intransparent und willkürlich. Das Olympiakomitee schickte daraufhin eine Pressemitteilung heraus, die belegen sollte, dass ordentlich Recht gesprochen werde. Man beziehe sich auf die Aussagen des Kronzeugen Grigori Rodtschenkow, des ehemaligen Leiters der Dopinglabors in Moskau, man stütze sich auf den McLaren-Untersuchungsbericht der Weltantidopingagentur (Wada), die sich wiederum auf Rodtschenkow stützte. Man habe einen aus dem Moskauer Labor stammenden Datensatz ausgewertet. Auch Steroidprofile und Biologische Pässe der betreffenden Athleten sowie Analysen von Proben, in denen verschiedene DNA oder hohe Salzkonzentrationen gefunden wurden, die nicht von einem Menschen stammen konnten, spielten eine Rolle.
Was genau Ahn oder Schipulin nun vorgeworfen wird, erfährt man nicht. Man muss darauf vertrauen, dass die olympischen Gremien schon irgendwie weise Entscheidungen in ihrer Black Box treffen. Die Sportrechtler müssen sich bei so einem Procedere den Vorwurf gefallen lassen, in einem Tendenzbetrieb zu arbeiten, in dem auch mal an Gummiparagrafen gezogen wird. An diesem Eindruck wird sich wohl auch nach der Entscheidung des Sportgerichts CAS nichts ändern. Dort haben 39 russische Sportler Einspruch gegen ihren Olympiaausschluss eingelegt. In wenigen Tagen soll darüber entschieden werden.
Wiktor Ahn dürfte ahnen, wie die Sache für ihn ausgeht. Kürzlich bei der Shorttrack-EM in Dresden hat er einige bemerkenswert lustlose Auftritte hingelegt, so als habe er schon gewusst, dass ihm auch ein Thomas Bach nicht wird helfen können. Markus Völker
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen