: Das Männerhaus
Seit 1912 bietet das Ledigenheim alleinstehenden Männern für wenig Geld ein Zuhause. Der Haushaltsausschuss der Bürgerschaft hat nun rund 3,3 Millionen Euro für die denkmalgerechte Sanierung bewilligt. Jetzt gibt es nur noch eine letzte kleine Hürde
Von Adèle Cailleteau
Guten Morgen, Familie!“ Mit diesen Worten betritt ein Bewohner die Loge gleich am Eingang des Ledigenheims. Hier sitzt eigentlich der Sozialarbeiter, den die Männer hier den professionellen Nachbarn nennen. Sie trinken hier zusammen Kaffee, sagen Bescheid, wenn etwas zu reparieren ist oder wenn sie selbst Hilfe brauchen. Heute ist er aber nicht da, er hat sich letzte Woche die Schulter gebrochen. „Passiert, es muss trotzdem weitergehen“, sagt Jade Jacobs, der ihn heute vertritt. Jacobs sitzt im Vorstand der Stiftung Ros, der Eigentümerin des Hauses.
„Wie in einer großen WG“, so beschreibt ein Bewohner das Zusammenleben im Haus. Meistens lebten die Männer auch ganz harmonisch miteinander. Blickt man aus dem Fenster der Loge, sieht man an diesem Morgen den ältesten Bewohner. Trotz des Schneetreibens will er nach draußen. Er ist schon über 80 und wohnt seit den 50er-Jahren im Ledigenheim. Kurz danach geht der jüngste Bewohner, ein Erasmus-Student aus Straßburg, ins Haus. Die beiden Männer trennen fast 60 Jahre.
Das Gebäude aus dunkelrotem Backstein in der Rehhoffstraße wurde 1912 vom Hamburger Bauverein errichtet, als Wohnheim für rund 100 Hafenarbeiter, Seeleute, einfache Arbeiter und andere Männer, die eine Bleibe für ein paar Nächte oder länger suchten, ohne dafür große finanzielle Mittel aufbringen zu können. Derzeit stammen die Bewohner aus über 16 Nationen und etwa die Hälfte der Männer sind Rentner, unter ihnen viele, die früher im Hafen gearbeitet haben. Anfang des 20. Jahrhunderts gab es in vielen Städten Ledigenheime, aber mittlerweile wurde viele umgebaut oder gleich ganz abgerissen. Außer in Hamburg lebt dieses Konzept vom Wohnraum für ledige Männer nur noch in München weiter.
Lange war die Zukunft des Ledigenheims unsicher, aber nun scheint sie gesichert. Der Haushaltsausschuss hat letzte Woche 3,3 Millionen Euro zur denkmalgerechten Sanierung des Hauses einstimmig bewilligt, als Ergänzung der Gelder vom Bund und der Stiftung Rost. Insgesamt soll die Sanierung 17 Millionen Euro kosten, die Arbeiten sollen drei Jahre dauern. Das allerletzte Wort hat nun noch die Bürgerschaft: In der nächsten Sitzung der Bürgerschaft am 31. Januar soll das Projekt durchgewunken werden.
Der Sanierungsbedarf des Gebäudes lässt sich auf den ersten Blick sehen. In der Loge des Sozialarbeiters sind kahle Stellen an den Wänden, im Aufenthaltsraum blättert die Farbe ab, Wasserrohre sind beschädigt und Wasserschäden durchziehen die Wände. „Die früheren Eigentümer haben jeden Monat nur die Miete kassiert und nichts für das Haus gemacht“, sagt Michael Gerdes, der 2005 ins Ledigenheim eingezogen ist. Seit mehr als 50 Jahren wurde hier nicht saniert.
Bis 2009 besaß der Bauverein Hamburg das Haus und verkaufte es dann an einen dänischen Investor. Der wollte daraus Studentenwohnungen machen. Wegen der sozialen Erhaltungsverordnung, die auch in der Neustadt gilt, wurde daraus nichts. Zu der Zeit schlossen sich Nachbarn zu einer Initiative für den Erhalt des Ledigenheims zusammen. Daraus ging die Stiftung Ros hervor, die Anfang 2017 das Gebäude kaufte. Im Vorstand der Stiftung sitzen noch zwei Nachbarn: Jade Jacobs und Antje Block.
Die Zimmer im Ledigenheim sind nicht groß – acht Quadratmeter bloß. Aber Michael Gerdes ist froh, hier weiter wohnen zu können. „Wenn man auf der Straße gelebt hat …“, fängt er an. Der 59-Jährige ist vor 13 Jahren eingezogen, eigentlich sollte das nur eine Übergangslösung sein. Inzwischen will nicht mehr auszuziehen. Aber er wohnt derzeit im vierten Stock des Hauses, einen Fahrstuhl gibt es nicht. Ein großes Ziel der Sanierung ist es aber, das Gebäude barrierefrei zu machen, mit Fahrstuhl, altersgerechten Sanitär- und Sozialräumen.
Das Ledigenheim war aber auch immer schon als Teil des Stadtteillebens und der -kultur gedacht. Im Rahmen des Projekts „Das Ledigenheim erhalten!“ der Stiftung Ros wurden darum regelmäßig Lesungen und Vorträge, aber auch Skat-Turniere und gemeinsame Abendessen für Bewohner und Nachbarn organisiert. „Der Mensch braucht eben auch eine geistige Nahrung“, erklärt Jade Jacobs. Im Zuge des Sanierung soll diese kulturelle Komponente nun gestärkt werden. Darum soll die alte Bibliothek auch wieder einen Platz finden, wie damals, als das Gebäude 1912 gebaut wurde.
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