piwik no script img

american pieKönnerinnen kämpfen

Beim „Royal Rumble“ erhalten erstmals echte Profiwrestlerinnen ihren großen Auftritt. Der Verband bevorzugte vor Kurzem noch Models

„Sie ist interessiert, und wir sind interessiert“, muss Paul Levesque seit Wochen schon immer wieder sagen, obwohl er damit eigentlich nichts sagt. Der Vize-Chef der weltgrößten Wrestling-Liga World Wrestling Entertainment (WWE), als Triple H selbst eine Legende im Ring, muss sich alle Mühe geben, die Erwartungen zu dämpfen. Denn ein Wechsel von Mixed-Martial-Arts-Ikone Ronda Rousey scheint immer näher zu rücken – und könnte Ende Januar eine ohnehin schon historische Veranstaltung für die WWE krönen.

Beim „Royal Rumble“ am 28. Januar, der traditionell ersten großen Show des Jahres, kommen im namensgebenden Hauptmatch 30 Wrestler jeweils in 90-Sekunden-Abständen in den Ring. Wer als Letzter übrigbleibt, hat sich einen Titelkampf bei „Wrestlemania“ im April verdient, die von der Bedeutung für den Showsport mit dem der WM für den Fußball gleichzusetzen ist. Dieses Jahr gibt es zum ersten Mal jenes Match aber auch als „Women’s Royal Rumble“ – er soll ein Meilenstein werden. Es wird spekuliert, dass Rousey, die in der Kampfsportliga UFC einst als unschlagbar galt, als „Überraschungsteilnehmerin“ in das Match einsteigt.

Seit knapp drei Jahren hat ein Umdenken in der testosterondominierten WWE eingesetzt. 2015 gab es zum ersten Mal ein Frauen-Match als Hauptkampf einer Großveranstaltung. Wurden die Frauen jahrelang als „Divas“ verniedlicht, werden sie heute wie ihre männlichen Kollegen als „Superstars“ geführt. Sie sind trainierte Athletinnen mit meist sportlichem Hintergrund, die sich ihre Meriten über Jahre erarbeitet haben. Die einen sind in ihrer Rolle vor der Kamera die Guten, die anderen die Bösen, gemein haben alle: Sie sind stark und selbstbewusst.

Vorbei die Zeiten, als die weiblichen Sternchen der WWE entweder als gutaussehendes, aber eindimensionales Schmuckwerk am Ring positioniert wurden oder gutaussehendes, aber untalentiertes Personal im Ring waren. Legendär ist die Anekdote, dass der damalige WWE-Personalchef John Laurinaitis auf der Suche nach „Talenten“ Kataloge für Damenunterwäsche und Bademode durchwälzte. Das Ergebnis sagte zwar der johlenden Männermenge zu, Kenner und Liebhaber des Showsports dagegen beklagten das oft stümperhafte Verhalten der nur mäßig wrestlingtrainierten Frauen.

Vorrangig Fleischbeschau

Unter den Top-Stars heute sind Asuka, eine weltweit populäre Wrestlerin aus Japan, oder Nia Jax, früher Basketballspielerin und Plus-Size-Model. Kaum vorstellbar, dass beide zur Hochzeit der meist blonden, überschlanken Models eine Chance bekommen hätten, ihre Fähigkeiten zu zeigen. Damals noch lagen beispielsweise „Bra-and-Panties“-Matches hoch im Kurs. Ziel jener Duelle: Die Gegnerin bis auf die Unterwäsche zu entkleiden. Heute wäre eine derartige Fleischbeschau undenkbar. Die Fraktion leidenschaftlicher Fans mit Fachkenntnissen ist über die Jahre immer artikulierter geworden. Fehler im Ring werden bei den Männern und Frauen sofort mit Buhrufen und Pfiffen quittiert. Wer augenscheinlich nur aufgrund seines Aussehens und nicht wirklichen Könnens auf der Matte steht, hat es mindestens schwer.

Als noch 2014 durch Backstage-Berichte bekannt wurde, dass die weder athletisch begabte noch besonders charismatische Eva Marie zum neuen Star aufgebaut werden sollte, stand die Auserkorene sofort unter besonderer Beobachtung der Fans. Es wurde zum Spießrutenlauf voller kleinerer Peinlichkeiten und größerer Fehler. Im vergangenen Jahr beendete die 33-Jährige ihre Karriere, um Schauspielerin zu werden.Die „Women’s Revolution“, wie die WWE ihre Bewegung nennt, findet nun ohne sie statt – und soll weitergehen. Eventuell aber mit Ronda Rousey.

David Digili

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen