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Kitas suchen Verstärkung

In Kitas herrscht Fachkräftemangel. Die Länder entwickeln deshalb neue Ausbildungswege für Erzieher*Innen.Für Interessierte ergibt sich ein Dschungel aus Möglichkeiten, und Kritiker*Innen befürchten Qualitätsverlust

Von Marthe Ruddat

Erzieher*innen dringend gesucht! In Hamburg werden 3.600 zusätzliche Fachkräfte benötigt, um eine qualitativ hochwertige Betreuung in Kitas zu gewährleisten. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung zur Kindertagesbetreuung. Auch in den anderen norddeutschen Ländern ist die Situation nicht besser. Überall fehlt es an Fachpersonal.

Grund für die Personalnot ist der umfangreiche Ausbau der Betreuungsplätze. Seit 2013 hat jedes Kind ab dem vollendeten ersten Lebensjahr gesetzlichen Anspruch auf einen Kitaplatz oder die Betreuung durch eine Tagesmutter. Ganztagsangebote werden ausgeweitet, auch für ältere Kinder. Gleichzeitig nehmen immer mehr Eltern Betreuungsangebote für ihre Kinder in Anspruch.

„Die Träger sind massiv in Not. Sie haben offene Stellen, aber können diese nicht besetzen“, sagt Anne Schultz-Brummer, Fachberaterin für Kitas beim Alternativen Wohlfahrtsverband Soal in Hamburg. Deshalb sollen bundesweit mehr Erzieher*Innen ausgebildet werden. Weil Bildung in der Hand der Länder liegt, gibt es zum Teil sehr unterschiedliche Zugangsvoraussetzungen und Ausbildungswege. Für Interessierte ist es oft schwer, einen Überblick über die eigenen Möglichkeiten zu erhalten.

Um zusätzliche Fachkräfte für Kitas zu gewinnen hat etwa der Hamburger Senat einen Zehn-Punkte-Plan erarbeitet. Die Zugangsvoraussetzungen zur Erzieher*innenausbildung wurden damit deutlich entschärft. So brauchen beispielsweise Sozialpädagogische Assistent*Innen keinen bestimmten Notendurchschnitt mehr, um die Erzieher*Innenausbildung an einer Berufsschule zu starten. Abiturient*Innen müssen als Zulassungsvoraussetzung nur noch ein viermonatiges Praktikum absolvieren; zuvor war ein mindestens einjähriges Praktikum notwendig.

Je nach bisherigem Abschluss dauert die Ausbildung nur noch zwei oder drei Jahre. Auch Menschen ohne einschlägige pädagogische Ausbildung können jetzt in der Kita arbeiten. Hebammen oder Kinderkrankenschwestern beispielsweise benötigen eine 160 Stunden umfassende Weiterbildung in Pädagogik und Entwicklungspsychologie oder müssen nachweisen, dass sie in den letzten fünf Jahren in einer Kita oder Ganztagsbetreuung gearbeitet haben. Liegen diese Voraussetzungen vor, können sich auf die gleichen Stellen bewerben, wie ausgebildete Erzieher*Innen.

Außerdem wurde die Möglichkeit zur bezahlten berufsbegleitenden Ausbildung geschaffen. Die Auszubildenden sind dabei bei einer Kita angestellt und besuchen parallel zu ihrer Arbeit in der Praxis die Fachschule. Unter www.schaetze-heben.hamburg können sich Interessierte über die Ausbildungsorte in Hamburg und die verschiedenen Zugangswege informieren. Die Seite bietet außerdem die Möglichkeit, die eigene Eignung für den Erzieher*Innenausbildung testen und sich über die Finanzierungsmöglichkeiten zu informieren.

Dass der Ruf nach Fachkräften immer lauter wird liegt auch an der zunehmend anerkannten Bedeutung frühkindlicher Pädagogik: Die Kita ist längst kein Ort mehr, an dem der Nachwuchs einfach untergebracht wird, während die Eltern arbeiten, sondern hat einen klaren Bildungsauftrag. Anne Schultz-Brummer sieht die verkürzte Ausbildungsdauer und erleichterten Zugangsvoraussetzungen deshalb durchaus kritisch: Es bestehe die Gefahr eines Qualitätsverlustes der Ausbildung. „Wir sprechen uns für mehr Akademiker*Innen in der Berufspraxis aus“, sagt Schultz- Brummer.

Neben anderen Universitäten und Fachhochschulen bietet beispielsweise die Fachhochschule in Kiel den Bachelorstudiengang Erziehung und Bildung im Kindesalter an. Auch in Schleswig-Holstein gibt es aber die klassische Erzieher*Innenausbildung an den entsprechenden Fachschulen. Unter anderem ist hier auch eine Teilzeitausbildung möglich, bei der sich die Ausbildungszeit entsprechend verlängert.

Wer jedoch ein Abitur oder die Fachhochschulreife hat, kann sich für ein Studium an der Fachhochschule in Kiel bewerben. Die Studierenden lernen dort nicht nur in Vorlesungen und Seminaren, sondern absolvieren auch Praktika in Kitas und anderen Einrichtungen der Kinderbetreuung. In dem an den Bachelor anschließenden Masterstudiengang kann außerdem eine zusätzliche Qualifizierung für Leitungs- und Managementpositionen erworben werden.

Solche Leitungsstellen sind jedoch rar gesät. Hinzu kommt, dass der Erzieher*Innenberuf mit hohen körperlichen Belastungen und Ansprüchen an das Personal einhergeht. Das Gehalt ist angesichts der Verantwortung, die die Frauen und Männer in den Kitas tragen, vergleichsweise gering. In Hamburg etwa liegt das Einstiegsgehalt bei etwa 2.800 Euro brutto im Monat. Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, findet Schultz-Brummer, müssten deshalb auch die Rahmenbedingungen für Erzieher*Innen dringend verbessert werden.

Das sieht auch Julia Hamburg so, Sprecherin für Bildung bei den die niedersächsischen Grünen. Ihre Fraktion hat deshalb einen Antrag in den Landtag in Hannover eingebracht, der einen „Masterplan“ für die Fachkräfteausbildung fordert. Dieser Plan soll dann dafür sorgen, dass Erzieher*Innen mehr Gehalt bekommen, ihre Arbeitsbedingungen verbessert und gezielt Maßnahmen ergriffen werden, damit Erzieher*Innen länger in ihrem Beruf bleiben, als das heute der Fall ist.

Das niedersächsische Ausbildungsmodell sieht eine vierjährige schulische Ausbildung vor – ohne Bezahlung. Zunächst erfolgt die zweijährige Ausbildung zur Sozialpädagogischen Assistent*In. Im Anschluss wird im Verlauf von weiteren zwei Jahren die Qualifizierung zur Erzieher*In erworben. Auch hier gibt es aber Möglichkeiten zur Verkürzung: So lernen Abiturient*Innen und Auszubildende mit Fachhochschulreife nur drei Jahre. Schüler*Innen mit einschlägiger pädagogischer Vorbildung können die Erzieher*Innenausbildung gar in nur zwei Jahren absolvieren.

An einigen Fachschulen in Niedersachsen wird bereits eine berufsbegleitende Ausbildung in Teilzeit angeboten. Die Auszubildenden sind dabei mit mindestens 19 Wochenstunden in einer Einrichtung des sozialen Bereichs angestellt und besuchen daneben regelmäßig die Schule. „Es wäre sinnvoll dieses Konzept auszubauen“, sagt die Grüne Hamburg. „Die Auszubildenden sind dann bereits im Beruf und bekommen Geld für ihre Arbeit.“ Und das wiederum steigere die Attraktivität der Ausbildung.

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