piwik no script img

28 Wochenstunden Arbeit

Metallgewerkschaft will Verkürzung der Arbeitszeit und Tariferhöhung in Norddeutschland erstreiken. Arbeitgeber lehnen das ab. Wirtschaftliche Lage in der Industrie ist gut

Von Sven-Michael Veit

Das Ziel erscheint aus Arbeitnehmersicht verlockend: Eine Wochenarbeitszeit von 28 Stunden will die IG Metall Küste in der anstehenden Tarifrunde in der norddeutschen Metall- und Elektroindustrie durchsetzen. Und notfalls sollen die rund 140.000 Beschäftigten dafür streiken. Am nächsten Montag beginnen die ersten Warnstreiks. „Wir sind mit unseren Argumenten bislang nicht durchgedrungen“, sagte der Bezirksleiter der IG Metall Küste, Meinhard Geiken, am Mittwoch. „Die Arbeitgeber brauchen den Druck aus den Betrieben.“

Vor der anstehenden dritten Verhandlungsrunde am 18. Januar in Bremen seien deshalb mehrere tausende Metaller aus mehr als 140 Betrieben in Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg, Bremen und Nordwest-Niedersachsen zu mehrstündigen Arbeitsniederlegungen aufgerufen. Seit der zweiten Verhandlung am 8. Dezember vorigen Jahres in Lübeck sind die Gespräche festgefahren. Nachdem die Friedenspflicht an Silvester abgelaufen ist, will die Gewerkschaft nun „langsam loslegen“, so Geiken.

Der Arbeitgeberverband Nordmetall betrachtet die angekündigten Warnstreiks hingegen als rechtswidrig. „Sollte es dazu kommen, würden gemeinsam mit den betroffenen Unternehmen rechtliche Schritte bis hin zu Klagen auf Schadenersatz geprüft“, erklärte Thomas Lambusch, Präsident und Verhandlungsführer von Nordmetall.

Die Gewerkschaft fordert zum einen eine Tariferhöhung um 6 Prozent. Darüber hinaus will sie einen individuellen Anspruch der Beschäftigten auf bezahlte Familien- oder Pflegeteilzeit durchsetzen. Arbeitnehmer sollen ihre wöchentliche Arbeitszeit für bis zu zwei Jahre auf bis zu 28 Stunden reduzieren können. „Wir wollen Arbeitszeiten, die zum Leben passen“, betonte Geiken.

Glänzendes Metall

Besonders gut ist die Auftragslage derzeit bei der Werft ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS) in Kiel. Grund ist der Marineschiffbau – nicht nur für EU- oder Nato-Staaten.

Norwegen will vier U-Boote von TKMS bauen lassen, die deutsche Marine zwei weitere U-Boote mit eigenen Spezifikationen. Norwegen hat für das U-Boot-Paket umgerechnet etwa 4,3 Milliarden Euro eingeplant, Deutschland die Hälfte. Der Vertrag könnte 2019 unterzeichnet werden. Die neuen U-Boote für Norwegen sollen ab etwa 2025 und für die deutsche Marine etwa ab 2027 geliefert werden.

Zudem hofft TKMS, drei weitere Boote für Israel bauen zu können. Eine Absichtserklärung für die angeblich 1,5 Milliarden Euro teuren U-Boote wurde bereits unterzeichnet. Bis 2021 stehen zwei weitere Boote für Ägypten und vier Boote für Singapur in den Auftragsbüchern von TKMS.

Den viel beklagten Fachkräftemangel will die IG Metall verstärkt bekämpfen. „Ein Riesenpotenzial“ vor allem bei Frauen sieht Heiko Messerschmidt, Sprecher der IG Metall. Die Betriebe sollten mehr Teilzeitstellen anbieten, um gut qualifizierten Müttern attraktive und lebensnahe Angebote machen zu können. „Da wollen wir ansetzen“, so Messerschmidt. Eine Überbelastung der Betriebe sieht er nicht: „Die Lage ist überall gut“ (siehe Kasten).

Die Arbeitgeber halten die Vorstellung der Gewerkschaft von „einem finanziellen Ausgleich ohne Arbeitsleistung für rechtswidrig, und damit sind auch die Warnstreiks illegal, wenn sie sich auf diese Forderung beziehen“. Nordmetall hatte den Beschäftigten eine Einmalzahlung von 200 Euro und 2 Prozent mehr Geld ab April 2018 angeboten. Das wies die IG Metall als völlig unzureichend zurück.

Ab nächstem Mittwoch sind Kundgebungen in zahlreichen Betrieben geplant. Zur dritten Verhandlungsrunde in Bremen am 18. Januar seien in den dortigen Unternehmen Warnstreiks, Demonstrationen und eine große Kundgebung geplant, berichtete Geiken. „Sollte es keine Bewegung geben, werden wir kurzfristig nachlegen, aber dann auch schnell über 24-Stunden-Warnstreiks entscheiden.“ Über einen unbefristeten Streik muss die Basis in einer Urabstimmung entscheiden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen