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Netanjahu wirbt für die Hauptstadt

Der israelische Premier stößt beim Besuch in Brüssel auf wenig Gegenliebe

Aus Brüssel Erik Bonse

Es kommt nicht alle Tage vor, dass sich ein prominenter Regierungschef selbst zu einem Treffen der EU-Außenminister einlädt. Dass es noch dazu ein so kontroverser Politiker wie Benjamin Netanjahu war, der am Montag zum Arbeitsfrühstück nach Brüssel kam, machte die Sache nicht einfacher.

Noch am vergangenen Donnerstag hatte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini die einseitige Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels durch die USA scharf verurteilt. Die Pläne von US-Präsident Donald Trump hätten das Potenzial einen Rückschritt in „noch düsterere Zeiten“ einzuleiten, warnte sie. Doch nun drehte Netanjahu den Spieß um – und forderte die EU auf, dem „Beispiel“ der USA zu folgen. Die Grundlage für Frieden sei es, „die Wirklichkeit zu erkennen“, sagte Netanjahu. Trump habe „die Fakten klar auf den Tisch gelegt“, indem er Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkannte. Nun müssten die Europäer nachziehen.

Die Mehrheit der 28 EU-Staaten denkt nicht daran. Tschechien allerdings ließ durchblicken, dass man sich ebenfalls eine Verlegung der Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem vorstellen könne. Und auch aus Ungarn und Litauen sind ähnliche Signale zu hören.

Dennoch bleibt die Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten bei der bisherigen Linie: Der Nahostkonflikt könne nur durch eine Zweistaatenlösung entschärft werden, erst danach solle über den Status Jerusalems entschieden werden. „Wir haben eine sehr einheitliche Position“, betonte Mogherini.

In der Praxis scheint die Linie der EU jedoch immer weicher zu werden. So ist weder von einer Verurteilung der USA für ihren Alleingang noch von neuen Friedensinitiativen die Rede. „Wir möchten nicht, dass das Ansehen der USA im Friedensprozess diskreditiert wird“, sagte Mogherini. Ohne die Amerikaner gehe gar nichts.

Deshalb werde die EU auch keine eigene Initiative ergreifen, wie dies früher üblich war. Vielmehr wolle man noch enger mit „Freunden“ wie den USA oder Jordanien zusammenarbeiten.

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