Die Wahrheit: War Adolf Hitler Moslem?
Wie der Tweet eines islamophoben Verschwörungstheoretikers dazu führt, ein genau achtzig Jahre altes Geheimnis zu enthüllen.
Siemens will fast 7.000 Stellen streichen, die Hälfte davon in Deutschland. Im Osten vor allem, dort wo die AfD mit ihrem Rechtspopulismus besonders reüssiert. Das sorgt für Unmut. Und für manch steile These. Egal ob bei „Infineon, SAP, AMD, Siemens, Bosch, ....“, twittert etwa ein taz-im-Netz-Leser-und-sich-darüber-Aufreger. Dann schreibt er weiter: „Ganz viele Musels sehr (!) ich da, deshalb sind die Konzernzentralen auch alle nach Mekka gerichtet.“
Nun. Tja. Ja. Mal abgesehen von dem Tippfehler, überrascht diese verschwörungstheoretische Weltsicht kaum bei einem Menschen, der sich selbst als „Freidenker, Orban Fan gegen: Rassismus, Islamisierung, Gutmenschentum, Denkverbote“ beschreibt. Aber heißt das auch, dass er unrecht hat? Nun, spekulieren wir nicht rum, sondern greifen zum schärfsten Schwert des Journalismus: der Recherche.
Siemens hat im Sommer 2016 einen für einen Weltkonzern angemessen protzigen Neubau am Wittelsbacherplatz in München bezogen. Auf den ersten Blick wirkt der geschwungene Glasbau unislamisch. Aber ist er nach Mekka ausgerichtet?
Die Kaaba in Mekka treffen
Im Internet stößt man auf praktische Tools wie qiblafinder, mit denen Muslime leicht herausfinden können, in welche Richtung sie beten müssen, um genau die Kaaba in Mekka zu treffen. Damit sieht man schnell: der Neubau am Wittelsbacherplatz neigt sich leicht nach Südosten, aber eben nicht südöstlich genug. Um der islamischen Gebetsrichtung gerecht zu werden, müsste man die Siemens-Zentrale um 20 bis 30 Grad drehen.
Doch darf man hier einem islamischen Programm trauen? Vor allem, wenn man eine Verschwörungstheorie aufdecken will? Könnte es nicht im Netz stehen, um die Ungläubigen in die Irre zu leiten? Vertrauen wir also lieber total unabhängigen Hilfsmitteln. Nehmen wir Google.
In Google Maps kann man auf eigenen Karten Geraden ziehen, gern auch weltumspannend. Nach wenigen Klicks stellt sich schließlich heraus: weder die Zentralen von Siemens und Infineon in München noch die von Bosch in Gerlingen, SAP in Walldorf oder auch AMD in San Diego, genügen auch nur annähernd den Ansprüchen tiefgläubiger Muslime.
Wichtige Häuser in Berlin sind unislamisch
Aber bloß weil ein Verschwörungstheoretiker mal irrt, heißt das ja noch lange nicht, dass er komplett danebenliegt. Vielleicht hat er ja nur etwas verwechselt. Wo wir uns schon mal so ein hübsches Tool auf Google gebastelt haben, checken wir – Leserservice ist alles – gleich noch ein paar wichtige Häuser in der deutschen Hauptstadt. Kanzleramt, Reichstag, Innenministerium, Hauptbahnhof, ja selbst Alt- und Neubau der taz sind offensichtlich unislamisch. Letzteren müsste man abreißen und um 45 Grad gedreht wieder aufbauen, um ihn religiös zu konnotieren.
Mit optimaler Qibla lässt sich auf die Schnelle nur ein Gebäude finden: die Şehitlik-Moschee am Columbiadamm neben dem Tempelhofer Feld. Sie schaut klar nach Mekka. Aber das überrascht ja nicht.
Doch halt: was ist denn mit diesem großen Gebäude ein paar hundert Meter weiter westlich? Legt man eine Gerade durch die erhabene Eingangshalle des ehemaligen Flughafens Tempelhof, dann führt die, nein, es täuscht wirklich nicht, über das heute von hippen Drachenfans und vornehmlich türkischstämmigen Grillmeistern bevölkerte Flugfeld 4.130 Kilometer geradeaus schnurstracks bis zur Kaaba in Mekka. Kann das Zufall sein?
Die Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung behauptet auf einer Webseite zur Geschichte des Flughafens: „Die gesamte Anlage ist axial auf Karl Friedrich Schinkels Kreuzbergdenkmal von 1821 ausgerichtet, in der NS-Zeit ein Ort völkischer Sonnwendfeiern. Ursprünglich war sogar eine architektonische Verbindung zwischen Flughafen und Denkmal durch eine vom Kreuzberg herabführende Kaskade geplant.“ Aber wir wollen ja kritisch bleiben und alles hinterfragen. Der behauptete Bezug zum wenige hundert Meter entfernten Kreuzbergdenkmal könnte gut ein Täuschungsmanöver der bekanntlich auf Propaganda spezialisierten Bauherren des Flughafens gewesen sein: derr Nazis.
Die Ideen für das Gebäude kamen von Adolf Hitler
Architekt war Ernst Sagebiel, der laut Wikipedia mit seinen Bauten der Architektur im Nationalsozialismus eine Richtung vorgab, „die über sein eigenes Wirken hinaus im Dritten Reich erkennbar blieb“. Das allein macht schon hellhörig. Sagebiel bekam den Auftrag von Reichsluftfahrtminister Hermann Göring. Die grundlegenden Ideen für das richtungweisende Gebäude aber kamen von niemand Geringerem als Adolf Hitler selbst!
So heißt es im Bericht des Fehrbelliner Tageblattsüber das Richtfest für „Das Luftkreuz Europas“: „Prof. Dr. Sagebiel (…) gedachte des Führers, der auf zahllosen Flügen Deutschland bereist und die erste auch grundlegende Anregung für den Bau des Weltflughafens gegeben hat“. Das Teltower Kreisblatt betont am gleichen Tage noch deutlicher die Rolle „des Führers, nach dessen Angaben und Richtlinien die Planung für den neuzeitlichen und größten Flughafen der Welt erfolgte“.
Wer jetzt noch Zweifel an den geheimen Absichten des Reichskanzlers hegt, muss nur einen Blick auf den Kalender werfen. Das Richtfest für den nach Mekka ausgerichteten Flughafen fand ausgerechnet am 4. Dezember 1937 statt. Der war in jenem Jahr der letzte Tag des muslimischen Fastenmonats Ramadan.
Der Ramadan verschiebt sich bekanntlich Jahr für Jahr gegenüber dem Gregorianischen Kalender um ein paar Tage. Beginn und Ende sind fest definiert durch den Stand des Mondes am Himmel. Allahs Gesandter, heißt es auf einschlägigen Webseiten, gab vor: „Wenn ihr die Mondsichel seht, dann fastet, und wenn ihr sie seht, dann beendet das Fasten!“ Das zweite Auftauchen der Sichel also bedeutet das Ende der Fastenzeit und leitet die größte Feier der Muslime ein – das beliebte Zuckerfest.
Wer sich nun etwas herauszoomt aus der benutzen Google-Map, dem fällt es wie Schuppen von den Augen: denn da sieht man von oben das 1,2 Kilometer lange, von Hitler persönlich erdachte Halbrund des gigantischen Flughafengebäudes: die größte gebaute Mondsichel der Welt, perfekt ausgerichtet auf Mekka – gefeiert von den Nazis am letzten Tag des Ramadan.
Wer mag jetzt noch zweifeln, dass Adolf Hitler heimlich Moslem war? „Welch ein Glaube“, rief Hermann Göring laut Teltower Kreisblatt beim Richtfest in Tempelhof, „ist notwendig, um solche Bauwerke zu schaffen“. Genau 80 Jahre später wird klar, was er damit gemeint haben dürfte. Und das größte Problem islamophob verschworener Rechtsextremisten ist fortan nicht mehr die Architektur der Siemens-Zentrale.
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