: Gerry Adams gibt Sinn-Féin-Vorsitz ab
Der Chef der katholischen Partei in Irland wird zurücktreten. Jüngere Parteimitglieder hoffen, dass Sinn Féin damit für liberale Wähler interessanter wird
Aus Dublin Ralf Sotscheck
Es war ein emotionaler Moment: Als Gerry Adams auf dem Parteitag der irischen Sinn Féin (Wir selbst) am Samstag ankündigte, dass er nach 35 Jahren als Parteipräsident demnächst zurücktreten werde, feierten ihn die 2.500 Delegierten mit stürmischem Applaus.
Mit Adams’ Rücktritt ist der Generationswechsel bei Sinn Féin vollendet. Sein Vize Martin McGuinness war im Frühjahr verstorben. Der nordirische Friedensprozess wäre ohne die beiden nicht möglich gewesen: Sie schafften es, die Organisation trotz zahlreicher Rückschläge hinter sich zu bringen und der Auflösung der IRA zuzustimmen.
Als Kommandant der Irisch-Republikanischen Armee (IRA) in Derry Anfang der Siebzigerjahre hatte McGuinness bei der Basis genügend Pluspunkte gesammelt, sodass ihm die Kompromisse mit den protestantisch-unionistischen Parteien nicht als Verrat ausgelegt wurden.
Adams hat hingegen stets bestritten, Mitglied der IRA gewesen zu sein. Er habe nur einmal in seinem Leben geschossen – als Jugendlicher auf ein Kaninchen, behauptet er in seiner Autobiografie. Das glauben ihm freilich nicht mal seine eigenen Anhänger. Adams soll schon mit 23 Jahren Bataillonskommandant der IRA und Architekt des „Blutigen Freitag“ gewesen sein, als 1972 in Belfast an einem Tag 22 Bomben hochgingen und neun Menschen umkamen. Nachweisen konnte man es ihm nicht, aber man ließ ihn ohne Anklage internieren.
Als die Behörden ihn überraschend freiließen, wurde er über Nacht über Belfasts Grenzen hinaus bekannt: Die IRA hatte einen Waffenstillstand als Gegenleistung für direkte Verhandlungen mit der britischen Regierung angeboten und Adams sollte der IRA-Delegation angehören. Der Grundstein für seinen fast legendären Ruf war gelegt.
In letzter Zeit wurde er jedoch immer mehr zum Wahlrisiko. Da waren die Enthüllungen über seinen Bruder Liam Adams, der seine eigene Tochter jahrelang missbraucht haben soll. Gerry Adams wusste von den Vorwürfen seit 1987. Dennoch ließ er es zu, dass sein Bruder in Belfaster Jugendprojekten arbeitete. Zudem soll er angeordnet haben, mehrere Menschen, die nach Ansicht der IRA für die britische Armee spioniert hatten, töten zu lassen.
Sein Rücktritt, hoffen die jüngeren Parteimitglieder, soll Sinn Féins Attraktivität bei liberalen Wählern verbessern. Doch die Zeiten sind schwierig in Nordirland. Die Koalitionsregierung von Sinn Féin und der DUP liegt seit Januar wegen eines Korruptionsskandals um DUP-Chefin Arlene Foster auf Eis, London droht mit Direktregierung. Und was nach dem Brexit im Frühjahr 2019 an der inner-irischen Grenze geschieht, weiß niemand. Sollten Grenzkontrollen eingeführt werden, könnte der Konflikt erneut aufbrechen.
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