: Stoff zuhauf für eine lange Nacht
Vor der abschließenden Sondierungsrunde kündigt sich auch beim Thema Europa keine Einigung an
Von Sabine am Orde und Tobias Schulze
Das Ende naht: In Berlin schließen Union, FDP und Grüne in der Nacht auf Freitag voraussichtlich ihre Sondierungsgespräche ab. In einer letzten Verhandlungsrunde wollen die Unterhändler erneut über strittige Themen sprechen. Unter Leitung der Parteichefs wollen sie überall dort Kompromisse finden, wo die einzelnen Fachgruppen in den vergangenen drei Wochen nicht weitergekommen sind.
Am Freitagmorgen wollen die Sondierer dann ein mehrseitiges Papier präsentieren, mit dem sie innerhalb ihrer Parteien um die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen werben können. Alle Detailfragen werden darin noch nicht geklärt sein, die Grundsatzentscheidungen sollen aber stehen. Bis es so weit ist, bleibt für die Verhandler in der Nacht aber noch viel zu tun.
Zumindest gab es am Mittwoch bei Gesprächen der Parteichefs mit einzelnen Fachgruppen wieder keine entscheidenden Fortschritte. Als Erstes stand am Vormittag die Europapolitik auf der Tagesordnung. Streitpunkt bleibt hier die Frage nach Krisenmechanismen in der Eurozone. „Über die Weiterentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion gibt es unterschiedliche Vorstellungen“, sagte FDP-Chef Christian Lindner hinterher. Seine Partei möchte den Europäischen Stabilitätsmechanismus, der die Zahlungsfähigkeit von Schuldenstaaten absichert, am liebsten abschaffen. Zwar hatte die FDP in diesem Punkt zuletzt Gesprächsbereitschaft angekündigt, für einen Kompromiss reicht es bislang aber nicht.
Auch beim Bereich Flucht und Migration sind weiterhin entscheidende Fragen strittig. Die kontroversesten Punkte: der Familiennachzug von Flüchtlingen mit eingeschränktem (subsidiärem) Schutz, die Obergrenze und die Frage, ob die Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer einzustufen sind. Beim Einwanderungsgesetz scheinen zumindest alle der Ansicht zu sein, dass es ein solches Gesetz braucht. Umstritten ist hier aber die Ausgestaltung.
Unterdessen hat die Flüchtlingsrechtsorganisation Pro Asyl erneut einen uneingeschränkten Familiennachzug gefordert. Dieser ist derzeit für Flüchtlinge, die nur einen eingeschränkten Schutz haben, bis März 2018 ausgesetzt. Die Grünen wollen den Stopp aufheben, die Union verlängern. Setze sich letztere Position durch, drohe die Jamaika-Koalition zu einem „Konjunkturprogramm zur Förderung der Schlepperindustrie“ zu werden, sagte Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt. Um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen, hatte Pro Asyl drei syrische Flüchtlinge nach Berlin eingeladen, die seit Jahren vergeblich versuchen, Angehörige nach Deutschland zu holen. „Wissen Sie, wie es ist, von Ihrem Kind zu hören, dass eine Bombe hinter dem Haus explodiert ist?“, fragte der syrische Kurde Hussein Mohammed, der seine Frau und zwei Kinder nachholen möchte. Er habe auf der Flucht sein Leben riskiert, um seine Familie vor dem Krieg zu retten.
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