: Ganz breite Unterstützung
In der brandenburgischen Kleinstadt Lebus wurde ein AfD-Mann zum Bürgermeister gewählt
Von Pascal Beucker
Das brandenburgische Lebus hat auch schon bessere Zeiten erlebt. Einst galt das im Südosten des Landkreises Märkisch-Oderland gelegene Örtchen mal als recht bedeutend. Damals, als Lebus noch Bischofsstadt war. Aber das ist lange her, um genau zu sein: mehr als 600 Jahre. Seitdem ist hier nicht mehr viel los. Rund 3.100 Menschen leben heute in der verschlafenen Kleinstadt, deren touristische Attraktionen ein Burgberg, auf dem schon lange keine Burg mehr steht, und gleich fünf Kriegsgräberstätten sind. Doch jetzt sorgen die Lebuser Bürgerinnen und Bürger für bundesweite Aufmerksamkeit – wenn auch zweifelhafte: Seit Freitagabend steht ihnen ein Bürgermeister der rechtspopulistischen AfD vor. Ein Novum in Brandenburg.
Detlev Frye heißt der Mann, der früher einmal als Radiomoderator für den MDR sowie den RBB arbeitete, bis 2013 der CDU angehörte und bis zum vergangenen Jahr Pressesprecher von Alexander Gaulands AfD-Fraktion im Brandenburger Landtag war. In der Stadtverordnetenversammlung am Freitag erhielt der 53-jährige Rechtsausleger zehn Stimmen, nur drei Parlamentarier votierten gegen ihn. Einen Gegenkandidaten hatte er nicht.
Nötig war die Bürgermeisterwahl nach dem Rücktritt der bisherigen Amtsinhaberin geworden, die einer lokalen Wählerliste angehört. Frye amtiert zunächst übergangsweise bis Februar. Dann soll endgültig ein Bürgermeister gewählt werden, der bis zum Ende der Legislaturperiode 2019 im Amt bleibt. Frye wird wohl wieder kandidieren – mit guten Aussichten.
Was die Wahl besonders brisant macht: Die AfD, die bei der Kommunalwahl 2014 auf 6,8 Prozent kam, hat in der Lebuser Stadtverordnetenversammlung nur einen einzigen Vertreter, und zwar Frye selbst. Das heißt, der AfD-Mann brauchte die kräftige Unterstützung anderer Parteien und Wahllisten – und er erhielt sie, unter anderem von dem Stadtverordneten der CDU und auch von den beiden Vertretern der Linkspartei, was nun in beiden Parteien für einige Aufregung sorgt. SPD, FDP und Grüne haben hingegen Glück gehabt: Sie sind im Lebuser Parlament nicht vertreten.
Für die Linkspartei sitzen zwei Parteilose in der Stadtverordnetenversammlung: der Geschäftsführer einer örtlichen Agrargenossenschaft und ein ehemaliger DDR-Sportschütze, der bei den Olympischen Spielen 1972 eine Bronzemedaille gewann. Mit „Zorn und Unverständnis“ habe sie deren Abstimmungsverhalten zur Kenntnis genommen, teilte die Linksparteikreisvorsitzende Bettina Fortunato mit. Zu keinem Zeitpunkt werde die Linkspartei „Menschen unterstützen, die mit Halbwahrheiten, rassistischen Äußerungen und Handlungsschwerpunkten eine friedliche, offene und solidarische Gesellschaft verhindern wollen“, versicherte Fortunato. Das gelte selbstverständlich auch für Frye. Der Landesvorstand der Linkspartei in Brandenburg forderte die beiden Stadtverordneten auf, ihre Mandate niederzulegen.
Nach Hans Liesegang, der seit 2014 in der kleinen mecklenburg-vorpommerischen Gemeinde Zepelin (440 Einwohner) amtiert, ist Frye nun der bundesweit zweite AfD-Bürgermeister.
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