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„Demokratisch? Zum Glück nicht!“

Techno mit Mitteln der Marschmusik: Die Hamburger Band Meute machte mit einem Straßen-Live-Video auf sich aufmerksam und spielt nun vor ausverkauften Häusern. Gründer Thomas Burhorn erzählt, warum er auch weiter in die Fußgängerzonen will

Mit dem Mut zur Monotonie: Meute live Foto: Steffi Rettinger

Interview Marthe Ruddat

taz: Herr Burhorn, Meute beschreibt sich selbst als „Techno-Marching-Band“, die den Job eines DJs übernimmt. Worin besteht der Mehrwert?

Thomas Burhorn: Technomusik ist ja sehr aufgeräumt. Sie lebt davon, dass man eigentlich genau weiß, was passiert. Das ist bei uns genauso. Zusätzlich sehen die Zuschauer bei unseren Auftritten aber auch, was sie hören. Sie sehen, wie die Bass Drum ein- und wieder aussetzt, weil eine ganze Band auf der Bühne steht und miteinander agiert. Die Leute können sich entscheiden, ob sie wie auf einer klassischen Technoparty in ihrem eigenen Tunnel tanzen wollen oder sich immer mal wieder der Band zuwenden. Das unterscheidet uns auch von der klassischen Band, bei der sich auf Konzerten eher konsequent auf die Bühne fixiert wird.

Bei elf Mitgliedern: Ist Meute eine demokratische Band?

Nein, zum Glück nicht!

Sondern?

Es gibt bei uns schon einen gewissen Grundkonsens darüber, was wir wollen und was zu uns passt und was eben nicht. Ich habe das Projekt ins Leben gerufen und treffe ganz am Ende auch die wichtigen Entscheidungen. Wenn wir alles ausdiskutieren würden, würden wir nicht sehr weit kommen. Ich habe aber große Antennen, die ich sehr bewusst ausfahre, um sicherzugehen, dass sich alle auch wirklich wohl fühlen. Jeder hat gleichzeitig viel individuellen Freiraum und wir pflegen ein sehr undogmatisches Miteinander. Meute hat zwar eine feste Besetzung, jeder in der Band lässt sich aber bei Konzerten mal vertreten, um eigenen Projekten nachzugehen. Dadurch haben wir viel Inspiration aus anderen Bereichen, Jazz, Mainstream-Popmusik oder Klassik. Das macht es bei uns musikalisch und menschlich sehr bunt.

Die roten Bandjacken haben aber schon Uniformcharakter.

Sie sind schon sehr plakativ. Aber ich finde sie tatsächlich auch arschcool. Ich hatte eigentlich nach solchen Jacken gesucht, wie sie Jimi Hendrix oder die Beatles auf dem Sergeant-Pepper-Album getragen haben. Kurz vor unserem ersten Konzert hat ein Spielmannszug dann seine maßgeschneiderten Jacken im Internet verkauft. Das war irgendwie Schicksal. Es weiß auch gar keiner, wofür dieses ganze Klimbim an den Jacken eigentlich steht. Das ist nur Show, wie bei Prinz William und Michael Jackson auch.

Sie haben Jazz gelernt. Warum nun Techno?

Ich habe mich schon immer mit allen möglichen musikalischen Stilrichtungen beschäftigt. Die Verbindung von elek­tronischer Musik und Jazz fand ich besonders faszinierend. Damit habe ich auch als Produzent schon oft herum experimentiert. Elektronische Musik ist in der heutigen Zeit ja auch allgegenwärtig. Ich behaupte mal, dass man sich ihr gar nicht entziehen kann. Jedenfalls nicht, wenn man nach Mitternacht mal ein Bier trinken geht. Ich wollte das Ganze einfach mal auf links drehen, also das rein Elektronische komplett akustisch machen. Das Experiment und die große Herausforderung daran war, dass es trotzdem noch als elektronische Musik erkennbar sein sollte.

Eignet sich jedes Stück für so eine Behandlung?

Es gibt Songs, mit denen wir rumexperimentiert haben, sie schlussendlich aber verwerfen mussten. Manche Lieder im Technobereich sind so melodiös, wenn wir sie live spielen würden, würden wir wie eine typische Brass Band klingen. Andere sind zu technoid, die ganze Zeit nur Bum, Bum. Bei denen kann man mit unserer Besetzung gar nichts machen. Es gab aber auch schon Songs, die fanden wir zuerst ungeeignet und spielen sie jetzt doch. „Versatile“ ist so einer: Als wir ihn geprobt haben, fanden wir ihn total doof. Und jetzt ist er doch auf dem Album – und eines meiner absoluten Lieblingsstücke.

Woher der Sinneswandel?

Vielleicht waren wir damals nicht mutig genug, die Monotonie des Liedes zuzulassen. Bei Livemusik ist man immer dazu geneigt, dafür zu sorgen, dass etwas Neues passiert oder ein neuer Teil beginnt. Bei diesem Song passiert das nur sehr langsam. Als wir im Proberaum standen, hatten wir überlegt, einen Teil zu kürzen. Gott sei Dank haben wir das nicht gemacht. Jetzt bekommen wir auf Konzerten sehr positives Feedback und es ist etwas richtig Hypnotisches entstanden.

Sie spielen mittlerweile auf großen Festivals, viele anstehende Shows sind ausverkauft. Angefangen hat aber alles mit Guerillagigs auf der Straße. Sind die jetzt passé?

Es ist schon wahnsinnig toll, die großen Bühnen zu bespielen. Der Sound ist super und die Lichtshow total krass. Wir können natürlich nicht in jeder Stadt ein Straßenkonzert spielen. Aber grundsätzlich mögen wir dieses Straßenfeeling sehr. Die Erwartungshaltung von jemandem, der auf ein Festival geht, ist logischerweise, dass da eine Band auf der Bühne spielt. Wenn die Leute aber durch die Stadt gehen und völlig unerwartet eine Band auf der Straße Technomusik spielt und das auch noch gut klingt, dann zaubert das den Menschen ein ganz anderes Lächeln aufs Gesicht. Die Leute sind bei diesen Konzerten neben oder zwischen uns und wir tanzen alle zusammen. Das ist etwas ganz Besonderes, das wollen wir neben dem Hauptbusiness auf jeden Fall beibehalten.

Wie wichtig ist Ihnen die Rückmeldung von den KünstlerInnen, deren Stücke Sie spielen?

Foto: Henning Heide

Thomas Burhorn, 41, ist Trompeter und Gründer von Meute. Er hat unter anderem für Kettcar und Fettes Brot gespielt und lehrt an der Hamburger Hochschule für Musik und Theater.

Die Rückmeldung ist natürlich zum einen wichtig, weil uns die KünstlerInnen erlauben müssen, ihre Songs zu spielen. Da geht es aber um rechtliche Fragen. Andererseits berührt uns das sehr persönlich, wenn wir positives Feedback bekommen. Diese Idee des Techno-Spielmannszug könnte sehr plump sein. Wir gehen aber immer mit sehr viel Demut und Respekt vor dem Original an die Arbeit und stecken sehr viel Liebe ins Detail. Ich habe immer gehofft, dass die KünstlerInnen das merken. Das ist offensichtlich auch so – und das feiern wir sehr.

Die schönste Reaktion?

Den Track „Acamar“ von Frankey & Sandrino hatten wir noch nicht veröffentlicht und dementsprechend auch noch nicht bei den Urhebern angefragt. Wir haben ihn aber auf einem unserer Straßenkonzerte gespielt. Irgend jemand hat das gefilmt und im Netz hochgeladen. Frankey & Sandrino haben uns geschrieben, dass sie Tränen in den Augen hatten, als sie das gesehen haben. Da hatten wir auch Tränen in den Augen.

Haben Sie denn auf so eine Cover-Anfrage auch schon mal ein Nein bekommen?

Bisher noch nicht.

Meute auf Tour: 16. 11., Bremen, Lagerhaus*; 17. 11., Rostock, Peter-Weiss-Haus; 18. 11., Lübeck, Treibsand*; 21. 11., Hannover Faust; 24. 11., Hamburg, Uebel & Gefährlich*; 25. 11., Flens­burg, Volksbad *ausverkauft, evtl. Restkarten

www.meute.eu

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