: Tödlicher Dreck
Armut macht krank – besonders in Schwellenländern bedroht Umweltverschmutzung Menschenleben
Aus Berlin Heike Holdinghausen
Schmutzige Luft, dreckiges Wasser und verseuchte Böden machen weltweit Millionen Menschen krank. Fast jeder sechste Mensch, der seine durchschnittliche Lebenserwartung nicht erreicht, fällt Umweltverschmutzung zum Opfer, berichtet die renommierte medizinische Fachzeitschrift The Lancet in ihrer jüngsten Ausgabe.
Besonders betroffen sind Kinder sowie die Bewohner von Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen oder rasch wachsenden Industrien, wie Indien, Pakistan, China, Bangladesch, Madagaskar und Kenia. Fast alle der rund 9 Millionen durch Dreck bedingten Todesfälle – 92 Prozent – wurden in solchen Ländern gezählt. „Umweltverschmutzung, Armut, schlechte Gesundheit und soziale Ungerechtigkeit sind eng miteinander verflochten“, sagt Mitautor Karti Sandily von der US-Organisation Pure Earth. Vor allem belastete Luft ist gefährlich: 2015 waren Abgase, Rauch und Feinstaub für 6,5 der 9 Millionen Todesfälle weltweit etwa durch Herz-Kreislauf- und Lungenerkrankungen verantwortlich. 1,8 Millionen Menschen starben, weil sie sich durch verschmutztes Wasser Parasiten und Verdauungsprobleme zugezogen hatten. Schadstoffe am Arbeitsplatz und Bleivergiftungen kosteten weiteren 1,3 Menschen das Leben. Da viele Schadstoffe unbekannt oder nicht ausreichend untersucht seien, sei von höheren Zahlen auszugehen, so die Autoren.
Vijoleta Gordeljevic, Koordinatorin für Gesundheit und Klimawandel bei der Brüsseler Organisation Health and Environment Alliance, hält die in The Lancet verwendeten Daten teils für zu konservativ. So würden Stickoxide nicht berücksichtigt, die hohe Gesundheitsschäden auslösten. Auch die Auswirkungen von Chemikalien seien nur teilweise in die Zahlen eingeflossen, da hier noch weiter geforscht werden müsse, so Gordeljevic.
Dass verschiedene Studien durch unterschiedliche Berechnungsmethoden und Annahmen über Schadstoffkonzentrationen zu unterschiedlichen Zahlen von vorzeitigen Todesfällen und Krankheiten kommen, hält sie „für unwichtig“, weil hinter den Zahlen vermeidbare Schicksale von Menschen stünden.
„Wie der Bericht zeigt, ist kein Land von Umweltverschmutzung unberührt“, schreiben die beiden Chefredakteure des Lancet, Pamela Das und Richard Horton. Sie forderten die Regierenden auf nationaler und kommunaler Ebene dazu auf, Umweltverschmutzung vorrangig zu bekämpfen, schreiben sie, denn dieser Kampf sei zu gewinnen.
Die aktuelle Studie ist Ergebnis eines zweijährigen Projekts, in dem weltweit über 40 Autoren aus dem Bereich Medizin und Umwelt für die Londoner Zeitschrift Daten der „Global Burden of Disease Study“ ausgewertet haben, einer global vernetzten Langzeitstudie unter Leitung der Universität Washington. Als eine der wichtigsten Studien in diesem Bereich liefert sie die Zahlen etwa für Bericht der Weltgesundheitsorganisation.
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