: Nüchterne Sachlichkeit in Extrawarmweiß
Die LED hat sich durchgesetzt, weil sie ausgesprochen sparsam und ultraflexibel ist. So kann sie sich etwa an unseren Biorhythmus anpassen. Für den Verbraucher entstehen mit dem Siegeszug der LED-Lampen ganz neue Anforderungen – Kopfrechnen zum Beispiel
Von Bernward Janzing
Das geht so einfach nur mit LED: Wenn mit dem Fahrplanwechsel der Deutschen Bahn im Dezember die ersten Exemplare des neuen ICE 4 auf die Strecke gehen, wird an Bord flexibles Licht für „Wohlfühlatmosphäre“ sorgen. Das jedenfalls verspricht die Bahn. Sie wird tagsüber die Innenbeleuchtung der Waggons fürs konzentrierte Arbeiten in kühlem Blau halten und abends den Fahrgastraum in ein warmes Rot tauchen. Es dankt der Biorhythmus der Reisenden, so die realistische Hoffnung.
Solch gestalterische Vielfalt bot die Glühbirne nicht. Längst sind daher auch Architekten auf die LED umgeschwenkt. „Die Glühbirne ist nur noch etwas für Nostalgiker“, sagt Marc Rösel, Geschäftsführer der Firma Multiline Exclusives Licht in Bad Homburg, einem Planungsbüro für Beleuchtungstechnik. Wo professionell und wirtschaftlich gedacht werde, gebe es heute keine Alternative mehr zur LED. Gerade sei die erste Esstischlampe mit farbvariablem Licht auf den Markt gekommen, und genau das sei die Zukunft, sagt Rösel. In Büroräumen werde die farbliche Flexibilität der LED schon heute geschätzt; optimierte Lichtfarbe im Sinne des Biorhythmus kommt schließlich auch der Produktivität zugute.
Die neuen Möglichkeiten ergeben sich quasi nebenbei, weil sich das weiße Licht der LED ohnehin erst durch Mischung der drei Grundfarben Rot, Grün und Blau ergibt. Ändert man die Anteile der Farben, ändert sich das Licht, auf Wunsch auch fließend.
Was hatte man einst gestritten über das Ende der Glühbirne! Manch einer betrachtete noch vor bis vor Kurzem das verhängte Glühlampenverbot als eine unerträgliche Gängelung, sah sich gar zu einem Kulturkampf um ein Leuchtmittel bemüßigt. Andererseits erklärten Umweltpolitiker die Glühbirne zum Feindobjekt, deren Verbot essentiell sei zur Rettung des Planeten. War natürlich beides Quatsch.
Es kam die Energiesparlampe (siehe Grafik rechts). Manche verabscheuten sie ihres zumindest am Anfang ungemütlichen Lichts wegen, andere aufgrund ihres Quecksilbergehalts. In der ganzen Emotionalität der Debatte ging oft unter, dass die Ära der Energiesparlampe kurz sein würde. Sie war Brückentechnik.
Heute ist sie obsolet, langjähriger Forschung sei dank. Während die rote LED schon in den sechziger Jahren bekannt war, und die grüne bald darauf folgte, gelang die Konstruktion einer tauglichen blauen LED erst 1993. Man brauchte sie dringend, denn erst mit dem kompletten Trio wurde die Mischung von weißem Licht möglich. Für die Erfindung der blauen Leuchtdiode gab es dann 2014 sogar den Nobelpreis in Physik.
Jetzt rollt die LED den Markt auf. Zahlen zum Marktanteil kann zwar auch der Branchenverband ZVEI nicht bieten – doch die LED dürfte inzwischen mit Abstand Marktführer sein. Energiesparlampen und Halogenlampen sind nur noch Nische.
Wirtschaftlich gesehen gibt es kaum eine bessere Investition als den Kauf einer LED. Sie bringt sieben bis zehn Mal so viel Licht wie der alte Glühfaden. Anders gesagt: Für die gleiche Helligkeit braucht man nur noch zehn bis vierzehn Prozent des Stroms. Je nachdem, wie viele Stunden die betreffende Lampe genutzt wird, kann sich die LED in weniger als einem halben Jahr durch die Stromeinsparung rechnen. Wo gibt es sonst solche Amortisationszeiten?
Aber die Welt ist auch komplizierter geworden mit der LED, Verbraucher müssen lernen, mit einer neuen Vielfalt umzugehen. Für unterschiedliche Räume gibt es nämlich unterschiedliche Weißtöne. Warmweißes oder extrawarmweißes Licht ist gedacht für Wohn-, Schlaf- und Kinderzimmer, neutralweiß wird gerne genommen in Küche und Flur, während kaltweiß sich für das Büro eignet. Die Glühbirne hingegen war schlicht eine Glühbirne. Wer hierbei zwischen matt und transparent unterschied, war fast schon ein Lichtprofi.
Die Wattzahl der LED hingegen sagt nur noch bedingt etwas aus. Je nach Qualität liefert eine LED unterschiedlich viel Licht pro Watt. Physikalisch ausgedrückt: unterschiedlich viele Lumen pro Watt. Lumen ist die Einheit der abgegebenen Lichtmenge, die muss man sich jetzt merken. Spitzen-LEDs erreichen bis zu 150 Lumen pro Watt – je höher der Wert, desto energieeffizienter. 80 Lumen pro Watt sind nach den Kriterien des Öko-Instituts der Mindeststandard, damit eine Lampe in die Eco-Top-Ten für ökologische Spitzenprodukte aufgenommen werden kann. Lumen und Watt stehen auf der Verpackung – wer ein bisschen Kopfrechnen kann, ist beim Kauf klar im Vorteil.
Nur ökologisch gesehen ist ihr Effekt gering. Denn während die Beleuchtung immer effizienter wurde, verharrt der Gesamtstromverbrauch in Deutschland weiterhin auf hohem Niveau. Das liegt schlicht daran, dass Licht – obwohl derart hochstilisiert – nur eine untergeordnete Rolle spielt. In Haushalten entfällt etwa zehn Prozent des Verbrauchs auf das Licht. Viel mehr wird dort verbraucht, wo es um Wärmeerzeugung geht: beim Kochen, Spülen, Waschen, Trocknen. Auch die Unterhaltungselektronik braucht längst mehr Strom als das Licht.
Noch marginaler wird die Bedeutung des Lichts, setzt man es in Relation zum Gesamtenergieverbrauch im Haushalt, also inklusive Heizung und Warmwasser. Dann hat das Licht nur noch einen Anteil von knapp zwei Prozent. Zählt man noch den Energieverbrauch des Autos hinzu, schrumpft der Anteil des Lichts auf nur noch ein Prozent an der heimischen Energiebilanz.
Die LED wird das Klima also nicht retten. Dafür tut sie der Wohnatmosphäre gut und ebenso dem Fahrkomfort im Zug. Ein weiterer Fortschritt: Wir müssen keine leidigen Diskussionen über Glühbirnenverbote mehr führen. Die LED überzeugt ganz unaufgeregt durch sich selbst. Damit ist in die Debatte nüchterne Sachlichkeit eingekehrt – und die darf nun gerne auch in gemütlichem Extrawarmweiß daherkommen.
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