Flüchtlingspolitik der Union: Ankunft nach Heidelberger Modell

Abgelehnte Asylbewerber sollen künftig bis zum bitteren Ende in derselben Einrichtung bleiben. Heidelberg wird als Vorbild genannt. Zu Unrecht.

Feldbetten stehen in der Flüchtlingsunterkunft Patrick-Henry-Village in Heidelberg im ehemaligen Casino

Vorbild für die Pläne zur beschleunigten Abschiebung? Die ehemalige Heidelberger US-Siedlung Patrick-Henry-Village Foto: dpa

KARLSRUHE taz | Da haben sich Angela Merkel und Horst Seehofer getäuscht. Als sie jüngst ihr Kompromiss­papier zur Flüchtlingspolitik vorstellten, präsentierten sie auch eine Einrichtung in Heidelberg als „Vorbild“ für ihre Pläne zur beschleunigten Abschiebung. Doch das Land Baden-Württemberg betont: „In Heidelberg haben wir ein Ankunftszentrum, kein Abschiebezentrum.“ Noch.

Die Spitzen von CDU und CSU fordern, künftig alle deutschen Asylverfahren in „Entscheidungs- und Rückführungszentren“ abzuwickeln. Die Flüchtlinge sollen dort bis zur Entscheidung über den Asylantrag bleiben. Falls dieser abgelehnt wird, sollen sie sogar bis zur Abschiebung in diesen Zentren untergebracht sein. „Bei abgelehnten Anträgen ist eine Rückführung kaum noch möglich, wenn einmal eine Verteilung auf die Kommunen erfolgt ist“, behauptete Merkel.

Das Ankunftszentrum in Heidelberg war zwar ein Vorbild, aber nicht für diese Pläne der CDU/CSU. Als die Flüchtlingszahlen im Sommer und Herbst 2015 massiv anstiegen, richtete Baden-Württemberg in der ehemaligen Heidelberger US-Siedlung Patrick-Henry-Village ein Registrierungszentrum für 5.000 Flüchtlinge ein. Nachdem sich dort auch das Bamf mit einer Dependance ansiedelte, nannte man die Einrichtung „Ankunftszentrum“. Inzwischen unterhält das Bamf bundesweit 25 solcher Ankunftszentren.

Derzeit werden in Heidelberg rund 70 Prozent der Flüchtlinge registriert, für die Baden-Württemberg zuständig ist. Binnen zehn Tagen findet auf dem Gelände auch die Anhörung zum Asylantrag statt. Über neue Asylanträge entscheidet das Bamf derzeit in durchschnittlich zwei Monaten.

Wenn ein Flüchtling anerkannt wurde, wird er auf Landkreise und Kommunen verteilt. Wird sein Antrag abgelehnt, bleibt er in Heidelberg oder er wird, falls die Kapazität nicht ausreicht, an eine der zurzeit rund zehn Landes-Erstaufnahmeeinrichtungen (LEA) überwiesen. Die durchschnittliche Aufenthaltszeit in Heidelberg ist nach Angaben des zuständigen Regierungspräsidiums Karlsruhe vier bis sechs Wochen. Die derzeit 2.000 Plätze sind immer belegt.

Mit dem Asylpaket gegen die Zeitgrenze

Eine Hürde für die CDU/CSU-Pläne ist die Zeitgrenze. Laut Asylgesetz können Flüchtlinge maximal sechs Monate in den großen Ankunftszentren und LEAs untergebracht werden, dann müssen sie verteilt werden. In dieser Zeitspanne kann zwar das behördliche Asylverfahren abgewickelt werden. Allerdings klagen zwei von drei abgelehnten Antragstellern gegen ihren Bescheid vor Gericht.

Bis eine Abschiebung real möglich ist, vergeht oft viel mehr Zeit als sechs Monate. Wenn ein Antrag als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt wurde, gibt es aber heute schon Möglichkeiten, die Verteilung auf die Kommunen zu vermeiden. Wer aus einem „sicheren Herkunftsstaat“ wie Kosovo oder Serbien kommt, erhält zwar ein normales Asylverfahren, muss aber nach der Ablehnung bis zur Ausreise in der LEA wohnen bleiben. Dies wurde im November 2015 im Asylpaket I eingeführt.

Die Länder können seit März 2016 auch Besondere Aufnahmeeinrichtungen (BEAs) schaffen. Hier müssen auch Migranten, die über ihre Identität getäuscht haben oder die nach Ablehnung ihres Asylantrags einen Folgeantrag gestellt haben, bis zur Ausreise wohnen bleiben. Von dieser im Asylpaket II geschaffenen Möglichkeit hat bisher aber nur Bayern Gebrauch gemacht.

Seit Juli 2017 gibt es für die Länder zudem die Option, den Aufenthalt in zentralen Einrichtungen für alle Antragsteller mit „offensichtlich unbegründeten“ Asylanträgen auf 24 Monate, also zwei Jahre, auszuweiten. Bayern und Nordrhein-Westfalen wollen davon Gebrauch machen.

Auch Stuttgarts Landesinnenminister Thomas Strobl (CDU) erwägt dies. Falls er sich damit in der grün-schwarzen Regierung durchsetzt, wäre Heidelberg möglicherweise nicht mehr betroffen. Denn der Nutzungsvertrag für das Patrick-Henry-Village endet im April 2018. Und Heidelberg möchte auf der Fläche einen neuen Stadtteil schaffen. Das Ankunftszentrum könnte dann nach Mannheim oder Schwetzingen verlegt werden.

Und hier geht es zu einem Text über eine Unterkunft in Ingolstadt, in die Flüchtlinge ohne Bleibeperspektive gesteckt werden – was Kritiker als Abschiebelager bezeichnen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.